Sprachlabor (183):Epizentrum versus Hypozentrum

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Besondere Ehrung: Der päpstliche Privatsekretär Georg Gänswein wurde am 6. Januar 2013 von seinem Dienstherrn während der Epiphanias-Messe im Petersdom  zum Erzbischof geweiht. (Foto: action press)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger nimmt sich schweren Problemen an.

PRÄLAT GÄNSWEIN ist zum Erzbischof ernannt worden. In dem Zusammenhang hieß es bei uns, er habe "im Epizentrum der katholischen Welt" wohl etwas zu viel Macht angesammelt. Im Sinn dieser Terminologie wäre die katholische Welt ein gewaltiges Erdbebengebiet, und wenn dem so wäre, müsste gefragt werden, ob der gute Mann seine Macht nicht am Ende in deren Hypozentrum angehäuft habe.

DEN HÖRFUNKTIPPS entnahm Leser E., dass es in "Feuerzauber, Weltenbrand", der zehnteiligen Hörbiografie Richard Wagners, "nicht so leisetreterisch" zugehe wie in der Sendung "O ma mémoire", in der Tanya Lieske und Stéphane Hessel über Lyrik debattierten. Hessel wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen festgenommen, konnte aber fliehen. Nachdem er sich 1941 der Résistance angeschlossen hatte, wurde er 1944 von der Gestapo verhaftet, gefoltert und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. So viel in Kürze zu einem Leisetreter, unter dessen Bild zu allem Überfluss auch noch die heiter lärmende Parole "Noch ein Gedicht" stand.

EIN ALTES PROBLEM: Hat sich etwas, das sich verdoppelt hat, "um das Doppelte" vergrößert? Leser A. und v. T., Doctores beide, greifen das heiße Eisen anlässlich der Meldung auf, in Russland sei die Anzahl kostenloser Studienplätze "um das Dreifache gesunken". Wenn er, schreibt A., das richtig verstehe, brauche man "200 neue Studienplätze, um gar keine zu haben, weil man vorher 100 hatte und diese Zahl um 300 gesunken ist". Gern hätten wir das Problem in die Rubrik "Ewiges Rätsel Russland" abgeschoben. Vielleicht wäre es dort um das Doppelte kleiner geworden.

SCHWER EINZUORDNEN war für Leser W. und Dr. B. die Aussage, dass Leute, die angeblich in keine Schublade passen, sich für "nicht einordbar" halten. Nicht, dass sie uns deswegen für unberechbar gehalten hätten, das nicht. Aber auf ein paar Sprachgesetze wollten sie uns schon hingewiesen haben, so auf das, wonach man vor Verwendung des Suffixes -bar den Wortstamm des zu erweiternden Verbs eruieren sollte. Herr B. erfreute uns mit einer gründlichen, aus Platzgründen hier nicht abdruckbaren Erörterung dessen, warum man bei ordnen auf den Wortstamm orden kommt, an den sich -bar zwanglos anhängen lässt: ordenbar, einordenbar - nicht prickelnd, aber richtig. Dass einordbar im Streiflicht unterlief, ändert für Herrn W. nichts daran, dass dessen Schreiber den Edelfedern zuzuordnen sind. Die Frage, ob sie den Edelfedern "zuordbar" sind, lag ihm dabei klar auf der Zunge.

© SZ vom 12./13.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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