Sprachlabor (177):Ein frauengerechter Begriff

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Die Obfrau der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss, Eva Högl, spricht am 29.11.2012 in Berlin im Paul-Löbe-Haus in einer Sitzungspause des Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) des Bundestages. (Foto: dapd)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger befasst sich mit Seelsorge und nadeligen Gesellen.

"LIEBES KLEINES STREIFLICHT", turtelt unser Leser B., um gleich danach dem lieben kleinen Streiflicht dies hinzureiben: "Egal, was du hierzu im Duden finden solltest. Landsmännin darfst du nicht in den Mund nehmen. Pfui." Herr B. stützt seine Mahnung mit dem Hinweis, dass es nicht weiblicher Kubaner heiße, sondern Kubanerin, nicht Rudererin , sondern Ruderin. Das ist richtig, doch ebenso richtig ist, dass die Landsfrau sehr wohl auch im Duden zu finden ist, jedenfalls in dessen Online-Ausgabe, wo sie als Pendant zur Landsmännin geführt wird. Was den Gebrauch frauengerechter Begriffe angeht, so fehlt es nicht an gutem Willen. Man sollte nur nicht das Beharrungsvermögen der Sprache unterschätzen, noch dazu wo in diesem Fall die Landsfrau fatal nah bei der ganz anders gearteten Landfrau steht. Indessen, beim Obmann und der Obfrau geht's ja auch.

OB AUS DER SEELSORGE demnächst "der oder das Seelsorgs" werde, will unser Leser R. (1) wissen. Anlass für seine Sorge, um nicht zu sagen für seinen Sorgs, ist der Terminus Seelsorgsregion , der ihm in einem Interview sauer aufstieß. "Es gibt", schreibt er, "bei der Deklination von Seelsorge keinen Genitiv Seelsorgs , Punkt." Wohl wahr, nur dass es sich hier halt um keinen Genitiv handelt, wie Herr R. auch weiß, weil er sich ein paar Zeilen später nach Komposita wie Interessensvertretung und Erwartungshaltung erkundigt, bei denen ja auch nicht die Genitive Interessens/Erwartungs vorliegen. Wieder einmal stehen wir vor dem Fugen-s, das keinen Kasus definiert, sondern als eine Art Schmiermittel dient: Die Geburtsurkunde geht leichter von den Lippen als die Geburturkunde . Kirchliche Stellen scheinen die Seelsorge willkürlich mit anderen Begriffen zu koppeln. Da gibt es einerseits das Seelsorgeamt und das Seelsorgestudium, andererseits die Seelsorgstherapie und die - aufgemerkt! - Zeitschrift für den Seelsorgs-Klerus und Organ der Priester-Sodalität vom hlst. Herzen Jesu und der Marianischen Klerus-Kongregationen der Diözese Brixen usw. usf.".

SPRACHVERHUNZUNG aus Bequemlichkeit sieht Leser R . (2) walten, wenn im Bericht über eine Familientragödie die Frau, die ihre drei Kinder getötet hat, etliche Male als "die 38-Jährige" bezeichnet wird. In der Tat ist es nur einmal wichtig und mitteilenswert, ob die Täterin 38 Jahre alt ist, für die restlichen Nennungen sollte man sich, da der Name ja nicht zur Veröffentlichung freigegeben ist, mit "die Frau", "die Mutter" oder, wie in diesem Fall, mit "die Freisingerin" begnügen. Kurioserweise ist "die 38-Jährige" Resultat des Wiederholungsverbots; zugleich führt sie es ad absurdum. Wozu dieses Verbot führen kann, beweist eine vor Jahren verfasste Glosse, in der die Christbäume, die bereits dreimal erwähnt waren, in "die nadeligen Gesellen aus unseren heimischen Wäldern" umbenannt wurden.

© SZ vom 01./02.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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