Sprachlabor (165):Gestörtes Sprachgefühl

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger äußert sich zu einer schnörkellosen Verneinung und einer richtigen Bezeichnung.

DASS MÄDCHEN weiblichen Geschlechts sind, ist unbestritten. Ebenso wenig bestritten wird aber auch, dass das Substantiv Mädchen sächlich ist, und aus dieser sozusagen Doppelstaatlichkeit ergeben sich immer wieder Formulierungsunsicherheiten. Bei uns fand Leser M. "ein betrogenes Mädchen, das ihren Freund verlässt", und er sah sich durch den unmittelbaren Wechsel vom Neutrum "das" zum Femininum "ihren" zu Recht in seinem Sprachgefühl gestört. Nun ist der Wechsel der grammatischen Genera ja durchaus erlaubt, etwa wenn man schriebe: "Das betrogene Mädchen, das seinen Freund verließ, trauerte eine Weile, kam aber rasch über die Sache hinweg. So blieb sie auch ruhig, als der Kerl ihr nach Wochen einen Brief . . ." Offenkundig verblasst das grammatische Genus mit wachsender Distanz zum Wort, um dem natürlichen Platz zu machen. Was aber besagtes Mädchen angeht, so könnte man, wäre man der Oktavian im "Rosenkavalier", zu seinem resp. ihrem gewesenen Freund sagen: "Die Fräulein, kurz und gut, / die Fräulein mag Ihn nicht."

Ein kleines Mädchen spielt in einem Freibad in Hannover bei sommerlichen Temperaturen unter einer Wasserdusche. (Foto: dpa)

AUF DIE FRAGE, ob sie Dirndl trage, antwortete die Verlegerin Antje Kunstmann mit einem schnörkellosen "Ne". Das wurde bei uns genauso schörkellos wiedergegeben, doch hatte es für Leserin B. genau einen Schnörkel zu wenig. Ihrer Ansicht nach müsste ne im Sinn von nein mit zwei "e" geschrieben werden: nee . Da der Duden beides gelten lässt, ist guter Rat teuer. Eines freilich kann geklärt werden. Frau B. schreibt, dass das Kunstmann'sche "Ne" im Ruhrgebiet "glatt eine Bejahung" wäre. Antje Kunstmann ist aber in Bad Kissingen geboren, hat also die Lizenz, ne zu sagen und nein zu meinen. Jetzt darf sie sich nur nicht im Dirndl erwischen lassen . . .

DER FRIEDE zwischen den Religionen ist ein hohes Gut. Trotzdem sollen die Unterschiede nicht verwischt werden, und einer dieser Unterschiede ist die jeweils richtige Bezeichnung. "Vertreter christlicher, jüdischer und islamischer Kirchen tragen Gebetsverse vor", hieß es bei uns, eine Vereinheitlichung, die Leser B. moniert. Der Begriff Kirche sei so klar christlich konnotiert, dass er, und sei es in bester Absicht, nicht für Juden und Muslime verwendet werden könne. Er schlägt Gemeinden vor, "eine Bezeichnung, in der sich alle drei monotheistischen Weltreligionen wiederfinden können

© SZ vom 08./09.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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