Sprachlabor (159):Man nehme den Vertreter-Dreisatz

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger rückt wieder einige Eigentümlichkeiten gerade.

WER ES DEN PARLAMENTARIERN mal richtig sagen will, der greift zum Vertreter-Dreisatz: Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger, Versicherungsvertreter verkaufen Versicherungen - und was verkaufen Volksvertreter? Als ein Leser kürzlich damit bei uns zu Wort kam, sah ein anderer Leser, Herr H., sich in seinem Verständnis bestimmter Berufskategorien gestört. Der Zaunpfahl, mit dem er uns winkte, war das Handelsgesetzbuch, dessen § 84 man entnehmen kann, dass gerade der viel zitierte Staubsaugervertreter kein Vertreter, sondern ein Verkäufer ist. "Man kann", fügt H. süffisant hinzu, "nicht die Interessen eines Staubsaugers vertreten". Das alles ist richtig, doch sollte man in Rechnung stellen, dass die Sprache über ein imposantes Beharrungsvermögen verfügt. Ihm hat es der Vertreter zu danken, dass er die unschöne Nebenbedeutung fahrender Händler, Klinkenputzer noch eine Weile mit sich wird herumschleppen müssen.

Die Staubsaugervertreterin Anja Scherwat führt in Solingen in einem Wohnzimmer den Staubsauger vor. In Deutschland gibt es freie Stellen für mehrere tausend Staubsaugervertreter. Warum niemand den Job machen will? Weil er genauso hart ist, wie man ihn sich vorstellt. (Foto: dpa)

DAS KORREKTURPROGRAMM ist nicht an allem schuld, aber dass es aus dem unseligen "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" ein "Gesetz zur Verhütung erkrankten Nachwuchses" machte, sagt ihm Leser H. (ein anderer als der oben genannte) auf den Kopf zu. Er kann das umso beherzter tun, als er schon vor ein paar Jahren den Finger auf jene "riesigen Salzkörnchen" gelegt hatte, in denen "eine Reserve von 25 Millionen Tonnen Benzin, Heizöl und Zwischenprodukten aus Erdöl" lagern soll. Seinerzeit hatte sich das Programm mit den "riesigen Salzkavernen" nicht abfinden können oder wollen.

EIN EINZIGER BILDTEXT und darin drei Eigentümlichkeiten: Das war selbst für unseren alten Freund und Koadjutor E. zu viel. Dass der Verfasser des Textes die Möbelnamen "ti 1a" und "B 9-9c" für Industriepoesie hielt, war in seinen Augen noch lange kein Grund, "Namen von dem Lattenstuhl" statt "des Lattenstuhls" und "dem Teetische" statt "dem Teetisch" zu schreiben. Vollends ärgerlich wurde er, als er las, dass die Kirche St. Francis des Sales in Muskegon, Michigan, "religiöser Betonpathos in Reinform" sei. Ungeachtet dessen, dass viele griechische Maskulina auf -os enden, sei das Wort páthos ein Neutrum, um nicht zu sagen ein Neutrum in Reinform.

DIE ART, WIE WOLFGANG SCHÄUBLE das Wort Restrukturierung ausspricht, nämlich "Reschtrukturierung", kam unserem Reporter auffällig vor. Ganz anders unser Leser D.: Ihm fällt "beim besten Willen keine bessere oder korrektere Aussprache" ein. Möglicherweise haben beide recht, je nachdem, ob man die Restrukturierung als bereits eingedeutscht auffasst oder nicht. Gilt sie als deutsch, spricht man das st- im Anlaut wie bei Strapaze aus; fremdelt sie noch, spricht man es wie bei Existenz aus. Es ist nicht auszuschließen, dass unseren Mann der bei Schäuble stets mitschwingende schwäbische Grundklang aus dem Tritt brachte.

© SZ vom 28./29.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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