Sprachlabor (142):Das Spiel mit dem Doppelsinn

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger hat es mit der reissenden Isar, den Ottomanen und Mord zu tun.

ZU DEN WURZELN zurückgehen ist löblich, aber nicht immer ersprießlich. Unser Leser R. tut es trotzdem. Er ermahnt uns und etliche andere Blätter, das Wort verdienen nur so zu verwenden, wie es dem für ihn einzigen Wortsinn nach zu verwenden sei: als Ausdruck für ein Entgelt, das dem Wert der Arbeit entspricht. "Eine Altenpflegerin", schreibt Herr R., " bekommt 1900 Euro Gehalt monatlich; sie würde aufgrund ihrer erbrachten Leistung 3200 Euro verdienen ." Das Spiel mit dem Doppelsinn von Wörtern hat schon manch schönen Scherz hervorgebracht: "Herr Ober, was können Sie uns empfehlen?" - "Ein anderes Lokal." Mit verdienen verhält es sich ähnlich, doch muss man deswegen die Sache nicht auf den Kopf stellen. In den Wörterbüchern liest sich die Reihenfolge der Bedeutungen so ähnlich wie in dem von Hermann Paul: 1. durch Dienen, dann überhaupt durch Arbeit erlangen; 2. für seinen Dienst, seine Bemühungen einer Sache wert sein. Wir werden es mit verdienen halten wie bisher. Herr R. aber bekommt, was er verdient: Lob für seinen Einsatz.

Eine Frau liest im Duden. (Foto: dpa)

DIE REISSENDE ISAR nennt sich auf Lateinisch Isara rapidus und nicht, wie bei uns zu lesen, Isara rapida . Leser P. erinnert daran, und obwohl er "ein alter Lateinlehrer" ist, beharrt er nicht auf dem Merkvers "Männer, Völker, Flüsse, Wind', / stets Maskulina sind". (Unser alter Lateinlehrer, dieser Macho, pflegte den Spruch mit "Als Feminina hänge man / die Frauen an die Bäume an" fortzuführen, das heißt, um genau zu sein, sagte er "die Weiber".)

ZU DEN OSMANEN sagte man früher auch Ottomanen , doch ist dieser Begriff derart zurückgetreten, dass die bei uns erwähnte "Ottomanen-Herrschaft" Leser M. zu Recht irritierte. Unter einer Ottomane versteht man heute - und auch dieser Begriff ist im Schwinden - eine bestimmte Art von Sofa. Das Osmanische daran erhellt ein Gedicht von Ferdinand Freiligrath: "Der Feldherr sitzt im Zelt, sein Auge glüht vor Lust; / er lehnt sein bärtig Haupt an einer Sklavin Brust / auf goldbefranzter Ottomane."

AUCH DAS GRAUEN hat Anspruch auf angemessenen Ausdruck, vielleicht gehört es sogar präziser benannt als manches andere. In einem Bericht über Halit Yozgat, das neunte Opfer der Zwickauer Terrorbande, hieß es ". . . umgebracht - nein: hingerichtet am 6. April 2006". Bei allem Respekt vor der Empörung des Autors darf man nicht vergessen, worauf unser Leser F. aufmerksam macht: dass Hinrichtungen, wie fragwürdig sie immer sein mögen, nach Recht und Gesetz erfolgen. Nein, Halit Yozgat wurde umgebracht.

© SZ vom 17./18.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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