Sprachlabor (134):Erst lokal, danach temporal verwendet

Lesezeit: 2 min

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger äußert sich zu Behälterkonstruktionen.

OHNE ROSS UND REITER zu nennen, weist Leserin K. darauf hin, "dass es nicht heißt hier und da , sondern hie und da , was so viel heißt wie ab und zu, hin und wieder, gelegentlich ." Vom Gefühl her ist dem zuzustimmen, obwohl man schon in der "Winterreise" sehen kann, wie vage es um diese Floskel bestellt ist. "Hie und da ist an den Bäumen / Manches bunte Blatt zu seh'n", singt der Sänger dort, und man weiß nicht so recht, wie er das meint: Ist so ein Blatt heute, übermorgen und in einer Woche zu sehen, oder hängt eines rechts oben (hier) und eines links unten (da)? Eine kurze Stichprobe im Internet stützt die Vermutung, dass jüngere Leute die Variante hie und da seltsam beziehungsweise falsch finden. Der Duden führt hie und da durchaus auch im örtlichen Sinn: "Ein paar Disteln, etwas Sauerampfer, hie und da Löwenzahn . . .", dafür lässt er hier und da auch im Sinn von manchmal gelten: "Denkt vielleicht hier und da an meine Worte . . ." In Grimms Wörterbuch lernen wir, dass das hie zunächst lokal und erst danach temporal verwendet wurde, doch finden wir allhie einen schönen Beleg für die zeitliche Variante: "Eine miserable Lust, hie und da über die Schnur zu hauen" (Tieck). Wie es aussieht, muss man in dieser Sache hie und da fünf gerade sein lassen.

Messebesucher gehen auf der Frankfurter Buchmesse an ausgestellten Duden vorbei. (Foto: dapd)

UND DAZU PASST . . . ? Genau: ein gutes Glas Wein. Wer hätte diese Phrase nicht schon am Ende schöner Rezepte gelesen und sich entschlossen, das mit der gleichen Lust zu befolgen wie all die anderen Vorschriften? Leser G. ist spröder: Weder will er sich die Zahl der Gläser vorschreiben lassen, die er zum Essen zu schlucken gedenkt (den Wein natürlich, nicht die Gläser als solche), noch will er das zum Wein gehörige Adjektiv gut vor dem Glas sehen. Streng genommen hat er recht, wie man auch am neuen Paar Schuhe sieht, bei dem ebenfalls die Schuhe neu sind und nicht das Paar. Die Sprache ist in dem Punkt etwas lässiger, und in der großen Grammatik von Gisela Zifonun et aliis wird bei besagtem guten Glas Wein als "Besonderheit" registriert, "dass in Behälterkonstruktionen Adjektive, die morphologisch mit dem Behälterausdruck kongruieren, sich nur auf den Substanzausdruck beziehen können". Freilich sind selbst Behälterkonstruktionen Grenzen gesetzt. "Dazu passt ein weißes Glas Wein" - das geht nun wirklich nicht.

"DER MANAGER hat den Boni", hieß es bei uns. Der Verfasser dieses Zwischentitels erhielt dafür von unserem Leser Z. einen Mali, der sich gewaschen hat.

© SZ vom 21./22.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: