Sprachlabor (132):Die Sache mit der Niederkunft

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt Zeiträume und eine missglückte Wortwahl.

EIN WEIHNACHTS-ECHO kommt von unserer Leserin K., die darauf hinweist, dass das in "Alle Jahre wieder" besungene Niederkommen des Christuskinds keine Niederkunft im geburtshelferischen Sinn sei. Anlass ist ein Text über die spanische Politikerin Soraya Sáenz de Santamaría, die "kaum zehn Tage nach der Niederkunft ihres ersten Buben" wieder zu arbeiten begonnen hatte. Bei diesem niederkommen handelt es sich um einen beschönigenden oder jedenfalls verhüllenden Ausdruck für gebären (altnordisch: liggja á golfi ), und das ist allemal Sache der Mütter, die bei dieser Gelegenheit, um es noch beschönigender und verhüllender zu sagen, eines Kindleins genesen. Unter diesen Müttern gibt es wiederum Virtuosinnen wie jene Zwillingsschwestern aus New Jersey, die "zeitgleich" ihre Babys zur Welt brachten. Unsere Leserin B. - der Vorname Asmut ist doch hoffentlich weiblich - verstand das zunächst so, dass jede der Frauen die gleiche Zeit dafür brauchte, zum Beispiel 5:37,94 h. Erst später stellte sich heraus, dass sie "fast gleichzeitig" niedergekommen waren.

Marienstatue mit Jesuskind in der Kasseler Kirche St. Michael. (Foto: dpa)

IM INTERNET berichtete eine Bloggerin namens Angelica einmal von einem Seitensprung ihres früheren Freundes. Zu dem Krach, der sich daraus entwickelte, gelangte man über den Zwischentitel "Dieser Krach über diesen Seitensprung überdauerte ganze drei Tage", der Text danach begann so: "Dieser Zank über seinen Seitensprung ging volle drei Tage." Sicher scheint nur eines zu sein, nämlich dass der Krach drei Tage lang anhielt. Es fragt sich nur, wie Angelica diesen Zeitraum empfand. Kam er ihr zu kurz vor, waren es ganze drei Tage, wollte er ihrem Gefühl nach kein Ende nehmen, waren es volle drei Tage. Anlass für diese Erörterung ist Johannes Heesters' Heimgang ins ewige Maxim. Im Nachruf hieß es, "Jopie" sei in einer Hauptrolle "ganze 250-mal" auf der Bühne gestanden, eine Formulierung, die in Leser P.s Ohren klang, als habe es der Künstler gerade mal, mit Ach und Krach sozusagen, auf diese 250 Auftritte gebracht. Eine Despektierlichkeit dieser Art lag uns fern bei einem Mann, der volle 108 Jahre alt wurde und dem zum nächsten runden Geburtstag ganze zwei Jahre fehlten.

WENN VON "JUNGS" die Rede geht, flackert im Hintergrund gewissermaßen das Lagerfeuer. Da denkt man an Sport und Spiel, wahlweise auch an die aus dem Film bekannten schweren Jungs, die der Polizei immer wieder so lustige Streiche spielen. In einem Bericht über den "Maskenmann" hatte es geheißen, er habe "drei Jungs getötet". Unsere Leserin Dr. B. hält diese Wortwahl für eine Unsitte: "Würde denn jemand sagen, es seien drei Mädels ermordet worden?"

© SZ vom 07./08.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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