Sprachlabor (125):Es läuft aus dem Ruder!

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger betrachtet Höhe, Übersetzung und eine Bezeichnung genauer.

DER WÜRZBURGER DOM läuft offenbar völlig aus dem Ruder - wie anders wäre sonst zu erklären, dass er nun "auf Vordermann gebracht" werden muss. Als Leser F. das in unserem Blatt erfuhr, sah sein inneres Auge die deutschen Dome ins Stadion einlaufen, vorneweg den Kölner Dom, dahinter den Passauer, den Hildesheimer, den Speyerer, den Naumburger und wie sie sonst noch heißen, alle in schönster Ordnung, nur der Würzburger Kiliansdom schert mal hierhin aus, mal dorthin, macht Faxen und hält das Tempo nicht. Damit ist es nun vorbei, sagt der Trainer, bis zum Advent spurt er wieder.

Als Silhouetten zeichnen sich die Figur der Franconia und die Türme des Domes in Würzburg (Unterfranken) im Licht der untergehenden Sonne ab. (Foto: dpa)

AUS DEM RUDER scheint auch der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Herman Cain zu laufen, dem bei uns zur Verwunderung von Leser E. ein "meteorhafter Aufstieg" attestiert wurde. Nach allem, was man von Meteoren, Meteoriten und Meteoroiden hört, sind sie von Kopf bis Fuß auf Absturz eingestellt, wobei sie wegen der Luftreibung oft schon in großer Höhe unter Hinterlassung einer Leuchtspur verdampfen und als Sternschnuppen in Erinnerung bleiben. Um das zu leisten, müsste Herman Cain erst einmal hoch hinauf, und zwar nach Möglichkeit kometengleich.

ALLERSEELEN ist vorbei, und wieder konnte man auf den Friedhöfen prüfen, wie genau sich die Leute an das Gebot halten, über die Toten nur gut zu reden. Die lateinische Urform der Regel - "De mortuis ni(hi)l nisi bene" - war bei uns in der Fassung "De mortuis nihil nisi bonum" zu lesen, was unseren Leser Dr. H. dazu bewog, der Autorin ein harsches "Si tacuisses, philosopha mansisses" zuzurufen. Für Nichtlateiner sei gesagt, dass bene das Adverb von bonus (gut) ist, dass es in dem geflügelten Wort also darum geht, wie man über Tote redet, und nicht, was . Andererseits steht hinter dem lateinischen Spruch ein noch älterer griechischer, nämlich "Ton tethnekota me kakologein" (Über den Toten nicht schlecht reden). Angeblich ist das kako- attributiv und nicht adverbial aufzufassen, was dann ja irgendwie unserer Kollegin Philosopha zugutekäme.

ICH HAB ES getragen sieben Jahr . . . - das heißt, ganz so lange nun auch wieder nicht, aber seit einiger Zeit leidet unser Leser R. daran, dass Frankreich in der SZ immer wieder als "Grande Nation" bezeichnet wird, obwohl das Land doch eindeutig "Frankreich" heißt. Die Kenner stimmen darin überein, dass der Titel in Frankreich kaum verstanden, und wenn doch, dann als verächtlich aufgefasst wird, im Sinn von: Schau sie dir an, die Franzosen, immer groß dran, dabei usw. Darauf, dass wir den Ausdruck künftig meiden wollen, haben wir Herrn R. nun unser großes Indianerehrenwort gegeben, die grande parole d'honneur indienne .

© SZ vom 05./06.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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