Sprachlabor (123):Weiblich oder männlich?

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger schlichtet Streitigkeiten.

MÜNCHEN feiert sich selbst gern als die nördlichste Stadt Italiens, und entsprechend tun die Münchner oft so, als sei ihnen die italianità in die Wiege gelegt worden. Darauf spielt unser Leser R. an, wenn er die Aussage kritisiert, der Autokonzern Fiat mische seine Modelle "zu einer Minestrone zusammen". Minestrone sei nun einmal "masculini generis", so Herr R., also männlich. Wo er recht hat, hat er recht, nur machen sich die Dinge beim Übersetzen oft in einer Weise selbständig, dass mit Korrektheit dagegen nur noch wenig auszurichten ist. Dem minestrone ist es ganz offensichtlich nicht gelungen, sein Genus ins Deutsche herüberzuretten. Im Duden wird er bzw. sie als Femininum geführt, und auch bei leo.org wird "minestrone m. " mit "die Minestrone" wiedergegeben. Prüft man die Sache über Google, kommt man beim Suchwort "der Minestrone" auf immerhin 4750 Treffer; bei näherem Hinsehen sind das aber fast lauter Genitive von "die Minestrone", z. B. "Lecker schmecken alle Varianten der Minestrone."

Minestrone ist eine gehaltvolle Gemüsesuppe aus Italien. (Foto: ddp)

STREIT gibt es allerorten, einen Plural bildet das Wort trotzdem nicht. Möglich ist die Form Streite , aber gemeinhin behilft man sich mit Streitereien oder Streitigkeiten . Dass sie im Singular verharren, ist guter Brauch bei den Begriffswörtern alias Abstrakta, und es gehört schriftstellerischer Mut, um nicht zu sagen ein Bündel von Müten dazu, sich über diese Regel hinwegzusetzen, beispielsweise mit "Ehrgeizen, die er noch nicht befriedigt hatte" (Anna Seghers, Die Gefährten). Leser R. ist bei uns über den Plural Streits gestolpert, das allerdings im Gastbeitrag eines Schriftstellers. Eine Korrektur ist unterblieben, vielleicht aus Respekt vor dessen Aussage: "Ich arbeite selbstbestimmt, ich bin keine Maschine . . . "

VOR GERICHT und auf hoher See sind wir in Gottes Hand, heißt es. Bei einer zu einem Prozess entsandten Kollegin bewirkte die Hand Gottes, dass sie plötzlich "eine fast dingliche Stille" spürte, eine insofern ganz passende Wortwahl, als es vor Gericht in der Tat oft um das dingliche Recht geht, also um die Rechtsbeziehungen der Personen zu den Sachen. Unser Leser Sch. ist Jurist und findet, dass das Wort dinglich so sehr der Rechtssprache angehört, dass es für das normale Leben kaum mehr taugt. So streng sollte man nicht sein, ist übrigens auch der Duden nicht, der dinglich sehr wohl als Synonym für gegenständlich, real, konkret führt. Könnte leicht sein, dass die Stille im Gerichtssaal nur als Erscheinung erfahrbar war, dass sie als "Ding an sich" aber, wie Immanuel Kant lehrt, unerkennbar bleibt.

© SZ vom 15./16.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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