Sprachlabor (122):Man sieht es am frühen Beethoven oder späten Goethe

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt so manche Geheimnisse des Journalismus.

DER FRÜHE VOGEL ist unserem Leser F. in höchstem Maße suspekt. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen wurde, wie sich Herr F. zu erinnern glaubt, die Lebensweisheit, wonach besagter Vogel den Wurm fängt, bei uns als deutsches Sprichwort ausgegeben, obwohl es sich doch um eine "dümmliche Übersetzung" aus dem Englischen handle: "The early bird gets/catches the worm." Zum anderen sei der frühe Vogel als solcher ein Unding resp. -tier, da das Adjektiv früh nur auf Vorgänge wie das frühe Erwachen passe. Einen Tag nach diesem Einwurf stand F. abermals auf der Matte, diesmal mit dem auf Franz Beckenbauer gemünzten "späten Vater". Wo genau diese Sachen standen, war nicht zu eruieren, was aber an der Tollpatschigkeit des Kolumnisten im Durchforschen elektronischer Archive liegen könnte. Wie auch immer, die Chose ist nicht uninteressant, und es sieht ganz danach aus, als müsste man Herrn F. sanft, aber deutlich widersprechen. Wie schön sich früh und spät als personenbezogene Adjektive ausnehmen, sieht man am frühen Beethoven und am späten Goethe , und in dem Zusammenhang sollte man das späte Obst so wenig vergessen wie das ähnlich süße späte Glück . Was Letzteres angeht, so gibt es dazu einen wunderbaren Film von Jean-Pierre Blanc mit Annie Girardot und Philippe Noiret: "Das späte Mädchen (La vieille fille)."

Ein Sprichwort sagt: Der frühe Vogel fängt den Wurm.  Ein Spatz an einem Brunnen. (Foto: Rolf Haid/dpa)

SICHTLICH SCHOCKIERT davon, dass Eltern heutzutage immer jünger werden, strich unsere Leserin Sch. diesen Satz an: "Heute berät sie" - gemeint war eine Sozialpädagogin, die ebenfalls sehr früh Mutter geworden war - "in einer Beratungsstelle für Eltern von null bis drei Jahren mitunter junge Frauen, die dieses Schicksal mit ihr teilen."

ES HAT SICH EINGEBÜRGERT, Interviews nicht einfach beginnen zu lassen, sondern mit lockeren Vorspännen abzufedern. In einem dieser Leads oder Teaser, oder wie immer man derlei nennt, war über den Zeichner Art Spiegelman zu lesen, er sei "erst anderntags" - also morgen - "aus New York eingeflogen". Dass das Gespräch trotzdem geführt werden konnte, zählt für unsere Leser Dr. M und R. zu den großen und nach wie vor nicht hinreichend erforschten Geheimnissen des Journalismus.

SCHLIESSLICH NOCH DIES: Nach Ansicht unseres Lesers H. sollte darauf hingewiesen werden, dass der österreichisch Trainer, der einen deutschen Journalisten unlängst "leicht fett" nannte, nicht dessen Körpergewicht im Auge hatte. Vielmehr habe er gefragt, ob der Mann vielleicht betrunken sei, auf Österreichisch: "Is der leicht fett?"

© SZ vom 08./09.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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