Sprachlabor (120):Eine riesige Lücke

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärkt Missverständliches.

NACHDENKLICH wurde Leser Z. (1), als er bei uns von einem Arbeiter erfuhr, der beim Reden "die große Lücke zwischen seinen Schneidezähnen aufblitzen" ließ. Seiner Ansicht nach blitzen allenfalls die Schneidezähne selbst - wer die Zahnpastareklame im Fernsehen verfolgt, wird ihm zustimmen. Die Lücken dazwischen sind aber dunkel, düster, traurig, ja oft sogar schaurig. Im selben Text war übrigens auch von einer "Lücke von bis zu zwei Millionen Arbeitern" die Rede, und diese Lücke hat der Autor nicht aufblitzen gesehen.

Zwei Schülerinnen schauen in einem Duden etwas nach. (Foto: ag.dpa)

FÜR SCHWER MISSVERSTÄNDLICH hält Leser J. den Satz unseres Reporters, der sich mit einem Informanten namens Leon Douglas treffen wollte und das aus der Gegensicht so beschrieb: "Leon Douglas wollte sich vor dem Tube-Ausgang Brixton treffen . . ." Herr J. fragt sich und uns, ob Leon Douglas mit sich selbst verabredet war oder ob er Gott bewahre irgendein Schießgerät gegen sich richten wollte.

IM SELBEN BRIEF beruft sich Herr J. auf sein "bescheidenes Sprachgefühl". Dieses lasse ihn als unvollständig empfinden, was in unserem Feuilleton über die neue isländische Konzerthalle Harpa geschrieben wurde, nämlich dass so ein Bau heute "wohl nicht mehr begonnen" würde. Korrekt müsse es heißen, dass er nicht mehr "begonnen werden" würde. Der Einspruch wird noch plausibler, wenn man das würde beispielsweise durch dürfte ersetzt. Bei der Konstruktion "Der Bau dürfte nicht mehr begonnen" sieht man sofort, dass ein wesentliches Element fehlt. Könnte es sein, dass im kritisierten Fall das fehlende werden durch das vorangegangene würde quasi aufgefressen wurde?

DIE ANGST vor den Türken war, so hieß es in einem Fernsehtipp, "ein Traumata des frühneuzeitlichen Europa". Unser Leser Z. (2) sieht darin ein Paradigmata, wie der Plural von Trauma vergeigt werden kann.

DIE HOMEPAGE ist, Fachleute wissen es, die Index-, Start-, Leit-, Einstiegs- oder Hauptseite einer Internetpräsenz, und insofern war es, wie Leser K. vom iPad aus anmerkt, eine sinnlose Doppelung (Herr K.: ein "Unfug"), von der "Startseite ihrer Homepage" zu schreiben. Dem ist nicht zu widersprechen. Allenfalls könnte man aus Wikipedia zitieren, dass das Wort Homepage umgangssprachlich "häufig für die gesamte Internetpräsenz verwendet" wird, und dann wäre ja die Startseite wieder fein raus. Ähnlich leger scheint der Begriff Home Office für die Teleheimarbeit verwendet zu werden. Streng genommen ist das Home office das britische Innenministerium (2 Marsham Street, London SW1P 4DF, Montag bis Freitag von neun bis 17 Uhr).

© SZ vom 10./11.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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