Sprachlabor (119):Streng gerügt!

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger muss über Grauen, Komik und Präzision nachdenken.

WENN DIESE KOLUMNE etwas für sich in Anspruch nehmen kann, dann dass sie immer wieder dem Brandschatzen das Wort redet, das heißt, weniger dem Vorgang als solchem als vielmehr der korrekten Verwendung des Begriffs. Unter einer Brandschatzung verstehen wir Militärs vom alten Schlag die "exactio tributi sub incendii comminatione", also die Eintreibung eines Tributs unter Brandandrohung, was in der Praxis bedeutet, dass eine Stadt, die sich diesem Zwang beugt, eben nicht in Brand gesteckt wird. In Zusammenhang mit den Krawallen in London wurde bei uns erneut von Brandschatzung geschrieben, was unsere Leser A. und Dr. K. streng rügen. Sie haben recht: Leider brannte es dort wirklich, und von ordentlicher Kriegführung konnte auch sonst nicht die Rede sein.

Ein maskierter Mann steht am 8. August 2011 bei gewalttätigen Ausschreitungen in London vor einem Feuer. Gangs, die für die Krawalle in London mitverantwortlich gemacht werden, sind schon lange ein Problem in London und anderen englischen Städten. (Foto: dpa)

WIE NAH BEIEINANDER Grauen und Komik oft wohnen, weiß man. Auf den neuesten Fall dieser Symbiose stieß unsere alte Freundin M., als sie las, dass "sich Al-Qaida-Frauen immer wieder in die Luft" sprengen. "Das macht ihnen so leicht niemand nach", schrieb sie in ihrer lakonischen Art, und so wollen wir das auch stehenlassen.

PRÄZISION IST ALSO gerade beim Schreiben über das Schreckliche unabdingbar. Daran erinnert auch unser Leser W., und zwar anlässlich eines Gerichtsberichts, in dem es einerseits hieß, dass ein gewisser B. einen Jogger "mit einem Butterflymesser ermordet haben soll", in dem andererseits aber darauf Bezug genommen wurde, dass besagter B. dafür schon vor zehn Jahren verurteilt worden war. In Herrn W.s Augen, und nicht nur in seinen, sind die zwei Aussagen nicht kompatibel, weil der Unschuldsvermutung, für die das "soll" üblicherweise steht, durch die Erwähnung des Urteils der Boden entzogen ist.

ZUM SCHLUSS ein lockererer Kasus. Leser P. sah in der Spurverengung, "wo Autos sich von drei Fahrstreifen auf zwei verteilen sollen", auch eine metaphorische Verengung. Wenn, so argumentiert er, Kuchenstücke von drei Tellern auf zwei transferiert werden, finde keine Verteilung statt, sondern eine Häufung, und ebenso würden die "verteilten" Autos ja nicht weniger, sondern mehr, pro Spur jedenfalls. Bei der nächsten Fahrbahnverengung - man erkennt sie ganz leicht an den Zeichen 120 und 121 der Anlage 1 Abschnitt 1 zu § 40 Absatz 6 StVO - wollen wir alle mal darauf achten.

© SZ vom 03./04.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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