Sprachlabor (117):Grauenhafte Farbenlehre

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SZ.Redakteur Hermann Unterstöger erklärt Richtungsadverbien und Formulierungen.

DIE GLAUBENSFERNE, die der Papst oft beklagt, wirkt auch in unsere Redaktion hinein, leider sogar bis ins Streiflicht , das sich an Glaubensstärke sonst nicht leicht übertreffen lässt. Kürzlich schrieb dort ein Kollege, dass am Weißen Sonntag die Täuflinge hell gekleidet gewesen seien und dass man am Gründonnerstag außer Spinat auch Kohl und Erbsen gegessen habe. Unser Leser K. findet diese Farbenlehre - nettes Wortspiel - " grauenhaft" und erinnert daran, dass der Weiße Sonntag das Fest der Erstkommunionkinder war, ist und sein wird; auch habe man am Gründonnerstag weder Kohl noch Erbsen gegessen, weil diese Gemüse so früh im Jahr noch nicht verfügbar waren. Kleine Fußnote: Wer am Gründonnerstag eine Kräutelsuppe macht, sollte den Deckel auf dem Mixer gut festhalten, sonst ergeht es ihm wie dem Verfasser dieser Zeilen, der die Küche nach der Eruption beinahe grün hätte streichen müssen.

Mit gefalteten Händen stehen Kommunions-Kinder  in der katholischen St. Marien-Kirche in Massen (Kreis Unna) vor dem Altar. Am sogenannten Weißen Sonntag wird in der katholischen Kirche traditionell die Erstkommunion gefeiert. (Foto: DPA/DPAWEB)

EINE ZEITUNG WIE DIESE will zwar in ganz Deutschland und womöglich in aller Welt gelesen und verstanden werden, denkt aber deswegen nicht daran, ihre Wurzeln zu vergessen. Aus diesem Grund wird sie, wenn sie die Wahl hat zwischen allgemeinem und süddeutsch gefärbtem Hochdeutsch, dem regionalen Ton den Vorzug geben, wie ja auch die meisten ihrer Mitarbeiter eher zum Leberkäs als zum Labskaus greifen. Eine Kollegin hat von einer Sennerin berichtet und dabei die Verben hochkommen, hochwandern und hochgehen verwendet. Einigen Leserinnen und Lesern ist darüber die Galle hochgestiegen. Das lag nicht an einer allfälligen Preußenfeindlichkeit oder an einer Aversion gegen den Duden, der Wörter wie diese als regulär führt und durch allerlei Belege aus der Literatur adelt. Es lag vielmehr an der Liebe zu dem fein ausdifferenzierten Fundus von Richtungsadverbien wie hinauf, hinab, hinüber, die hier auffe, åwe, umme lauten und ohne die ein Leben in Bayern oder gar ein Sennerinnendasein nur schwer vorstellbar ist. Außerdem fehle diesen Verben das in die Gegenrichtung weisende Pendant. Wie das gemeint ist, sieht man, wenn man den alten Spruch "Waarst net auffegstiegn, waarst net åwegfalln" ins Hochdeutsche überträgt: Wärst du nicht hochgestiegen, wärst du nicht tiefgefallen.

VERBRECHER wollen es hernach nie gewesen sein, und wenn man's ihnen nachweist, bestreiten sie zumindest den Vorsatz. Jetzt wurde einer wegen versuchten Raubmords an einem Taxifahrer gefasst; laut unserer Meldung bestreitet er, "den Taxifahrer töten haben zu wollen". Unser Leser H., ein Kollege nebenbei, ist der Meinung, dass man das anders formulieren haben hätte wollen sollen. Beziehungsweise: müssen.

© SZ vom 20./21.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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