Sprachlabor (113):Die Dativendung eingefordert

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger kommentiert so allerlei.

VANITAS-STILLLEBEN zeigen fast immer einen Totenschädel. So weit wollen wir's hier nicht treiben, wohl aber mit Kohelet 1,2 sagen, dass alles eitel ist und ein Windhauch, besonders der Versuch, der Redewendung aus aller Herren Länder das fehlende "n" so einzupflanzen, dass es nie mehr wegfallen kann. Auch unser Leser St. fordert die Dativendung aus . . . Ländern ein, doch wird er mit uns an der in diesem Fall erschreckend normativen Kraft des faktischen Schlendrians scheitern. Die Duden-Grammatik bewertet Ländern als "veraltet". Die Fassung aus aller Herren Länder stuft sie als "schon erstarrt" ein, mithin als ewig gültig, eine Qualifikation, die von der Google-Maschine schlagend bestätigt wird: 3 230 000 Treffer für Länder, 77 800 für Ländern. Vanitas vanitatum!

Ein Tafelbild zum Dativ. (Foto: Andreas Heddergott)

TEXTE GUT ZU BEBILDERN, ist mitunter ein hartes Brot. Als berichtet wurde, dass Barack Obama den Millionären und Milliardären ans Geld wolle, wählte man zur Illustration ein Foto, das eine Golfspielerin beim Abschlag zeigt. Ist sie wirklich eine Millionärin, gar eine Milliardärin? Oder wollte der Bildredakteur, aus Sozialneid, nur den Golfspielern eins auswischen? Im Text dazu hieß es, Obamas neues Geld solle "auch von Millionären kommen, die etwa Golf spielen", was unseren Leser K. zu der Frage animierte, ob es auch die Steuerzahler treffe, "die einfach nur etwa atmen".

BETROFFEN ZU SEIN, ist ehrenvoll, aber man sollte darüber nicht die Beherrschung verlieren, schon gar nicht die Beherrschung der syntaktischen Gesetze. Von einer Rechtsmedizinerin hieß es, dass sie folgende Bilder nicht vergessen könne: "Das Mädchen, das seine Stiefmutter jahrelang gequält hat - zu Tode gequält. Das sie noch in der Klinik untersuchte, schon tot. Und das dann auf dem Obduktionstisch lag, noch einmal." Die Tragik hinter all dem kann man, wie unser Leser K., erst im zweiten Anlauf erahnen. Im ersten fragt man sich entsetzt, warum das Mädchen seine Stiefmutter zu Tode quälte, wie eine rätselhafte "sie", obwohl schon tot, dieses Mädchen noch untersuchen konnte und warum das Mädchen dann noch einmal auf dem Obduktionstisch lag. Zur Pathologie gehört nicht nur ein kühler Raum, sondern auch ein dito Kopf.

EIN KONZERTSAAL mitten in der Isar wird derzeit in München diskutiert. Unserem Bericht nach sieht das Gebäude auf dem Entwurf aus "wie ein Weinglas ohne Stil", das man nach Ansicht einiger Leser vielleicht gleich mit dem füllen könnte, was 2011 schon fünfmal in unserem Blatt gereicht wurde: "Eis am Stil".

© SZ vom 16./17.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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