Sprachlabor (112):Auf die Herausstellung verzichten

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger ist der Genauigkeit aufs äußerste verpflichtet.

"WER JEDEN TAG nur Kuchen frisst, der weiß ja nicht, wann Sonntag ist", sagt der Volksmund. Genauso verhält es sich mit den Stilfiguren: Sie geben dem Text einen feiertäglichen Anstrich, und man sollte sich deswegen hüten, sie in jeden Werktagstext einbauen zu wollen. Hochkonjunktur hat zur Zeit eine rhetorische Figur, die man mit Begriffen wie Ausklammerung, Ausrahmung, Extraposition oder Herausstellung umschreibt. Es handelt sich dabei um eine syntaktische Konstruktion, durch die ein satzgliedwertiger Ausdruck nach links oder rechts herausgestellt wird, wobei sein ursprünglicher Platz durch ein Korrelat markiert ist. Klingt krauser, als es aussieht: Die Prüfung, die hat Max bestanden. Der Rundfunk bietet Tag für Tag Beispiele dafür, wie diese auf Gewichtigkeit erpichte Figur banalisiert werden kann: Die Temperaturen, sie erreichen 27 Grad; der Regen, er verzieht sich allmählich. In solchen Fällen kann auf die Herausstellung verzichtet werden, der Regen verzieht sich reicht zur Beschreibung des Sachverhalts völlig. Bei uns wurde eine Lokalposse aus Iphofen als Thema für "Dahoam is dahoam" auf Fränkisch vorgeschlagen, mit folgender Perspektive: "Die ersten BR-Folgen aus Iphofen, sie könnten gut werden." Unser Leser Dr. B., er hält das für preziös, und recht hat er.

Das Logo des Bayerischen Rundfunks am Funkhaus in München. (Foto: Lukas Barth/dpa)

UNSER LESER E. ist sowohl Physiker als auch Musiker und insofern der Genauigkeit aufs äußerste verpflichtet. Als er bei uns las, dass die Wehrpflicht auf Betreiben des "ehemaligen" Verteidigungsministers Guttenberg abgeschafft worden sei, klopfte er sofort ab und fragte, ob das denn nicht der "damals amtierende" Minister gewesen sei. Auch er hat recht, wobei ein früherer Deutschlehrer vielleicht angefügt hätte, dass es genau genommen der "damals amtiert habende" Minister gewesen sei.

SCHON IM LATEINISCHEN hat momentum eine Fülle von Bedeutungen, von Bewegungsmittel über Wichtigkeit bis hin zu Entscheidung . Wie universell es indessen heute einsetzbar ist, erweist sich an Institutionen wie den "momentum hairstyles" in Weimar, dem Figurformungs-, Rücken- und Entspannungsstudio "carpe momentum" in Petershagen/Eggersdorf oder dem "Momentum Spa" in Düsseldorf, letzteres "eine neue Ebene des Wohlbefindens". Als bei uns jetzt die Entscheidung Barack Obamas, 30 000 Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, als "Momentum des Präsidenten" kommentiert und gleichzeitig davon gesprochen wurde, dass die US-Truppen genau dort zur Zeit ein "Momentum" hätten, verwunderte das unseren Leser E. aufs höchste. Die Erklärung, die er von dieser Kolumne fordert, wird wohl noch ein Momentum auf sich warten lassen.

© SZ vom 09./10.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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