Sprachlabor (100):Es steht nun für Überzeugung

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt falsch verstandenes Bayrisch und falsche Formulierungen.

ALS "SEHR ÄRGERLICH" empfindet Leser R. die Verwendung des englischen Wortes queer in dem deutschen Feuilletontext, in dem von einem "queeren Dance-Projekt", von der "queeren Subkultur" und von der "queeren Community" die Rede war. Dem Sprachlabor ergeht es bei Einreden dieser Art wie seinerzeit Petula Clark in dem Schlager "Monsieur": "Mein Herz sagt ja, doch mein Verstand sagt nein." Das Adjektiv queer führt nämlich ein Doppelleben. Zum einen bedeutet es seltsam oder verschroben, in Verbindung mit in the head sogar plemplem . Zum anderen bedeutet es, und zwar abfällig, schwul , doch ist es sowohl dieser Bedeutung als auch der Abfälligkeit offenbar längst entwachsen. Mangels eigener Kompetenz stützen wir uns hier auf den einschlägigen Wikipedia-Artikel, aus dem hervorgeht, dass queer seine neue Karriere zwar als Schimpfwort begann, dass es in den achtziger und neunziger Jahren den damit Bezeichneten aber gelang, das beleidigende Adjektiv im öffentlichen Diskurs einer Umwertung zu unterziehen, politisch positiv zu besetzen und in der Sprache neu zu positionieren. In dieser Rolle steht es nun für die Überzeugung, dass der Zwang zur Heteronormativität aufgelöst gehört, dass es Menschen erlaubt sein muss, ihr Leben mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten in Frieden zu leben. Das und mehr steckt in queer , und wie es aussieht, gibt es dafür im Deutschen kein vergleichbar bündiges Äquivalent.

Das Internet-Lexikon Wikipedia ist eine zuverlässige Informationsquelle. (Foto: ddp)

NICHT ALS QUEER, wohl aber als verquer sahen unsere Leser H. (1) und H. (2) an, was über den vormaligen Verteidigungsminister Guttenberg bei uns geschrieben stand: Dass er sich dann und wann im Stile eines preußischen Generalfeldmarschalls "aufgemantelt" habe. Nun ist ja das Aufmanteln ein seriöses technisches Verfahren, beispielsweise wenn auf einen alten Tiefdruckzylinder ein neues Rohr warm aufgeschrumpft und verschweißt wird. Bei Generalfeldmarschällen ist es dagegegen oft so, dass sie sich "aufman(n)deln", dass sie sich also höher zu recken versuchen, als ihre Gestalt als Mann - bairisch Man(n)dl - es eigentlich erlaubt. Gerechtigkeitshalber sei angemerkt, dass dies nicht nur Militärs tun, sondern andere Männer auch, oft sogar Frauen.

SCHON SCHWER GENUG zu verstehen, was Wolfgang Ambros meint, wenn er vom Skifahren singt, es sei "des Leiwandste, wos ma sich nur vurstön konn". Noch mehr irritierte Leser K. unsere Behauptung, Skifahren im Kaukasus sei "ein betrübter Genuss". Gemeint war, dass der Genuss durch die Terrorbekämpfung neben der Piste getrübt werde, was den Skifahrer betrübt mache. So jedenfalls muss man sich das vurstön.

© SZ vom 09./10.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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