Tourismus in Griechenland:Buffet statt Taverne

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Touristen auf der Akropolis: Deutsche Bildungsbürger erholen sich nun lieber im All-inclusive-Hotel. (Foto: AFP)

Vor der Krise besuchten sehr viele Deutsche Griechenland, besonders Bildungstouristen. Das hat sich gewandelt - nun verbringt hier der osteuropäische Mittelstand seinen Urlaub. Und Russen kaufen ganze Hotels.

Von Michael Kuntz, Thessaloniki

Filoxenia heißt die legendäre griechische Gastfreundschaft. Im vierten Jahr der Staatsschuldenkrise nimmt sie bisweilen bizarre Züge an. "Was sie nicht austrinken konnten, habe ich ihnen einfach mitgegeben", berichtet lächelnd Afrodite Leina über die Gruppe russischer Gäste in ihrem Hotel am Fuße des Olymp.

Die neuen Touristen sind weniger am Berg der Götter oder anderen antiken Attraktionen interessiert. Sie wollen ihren Spaß haben - und ordentlich Einkaufen gehen. Zum Beispiel in den zahlreichen Pelzgeschäften des Küstenortes Paralia. Die Russen geben zwar bei ihren Reisen durch Griechenland nicht ganz so viel Geld aus wie Überseetouristen aus den USA oder Neuseeland. Dafür mietet der eine oder andere Oligarch sich nicht nur ein Doppelzimmer: Er kauft gleich das ganze Hotel.

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"Wir befürchten einen Ausverkauf der Region", sagt Costas Panteris, 62, von Syrtaki Travel. Die Region, das ist der siebzig Kilometer lange Uferstreifen zwischen Olympischer Riviera und dem bis zu 2900 Meter hohen Gebirge. Von den 40 Hotels dort mit mehr als 200 Betten gehören bereits zehn russischen Investoren. Das ist nur der Anfang, befürchtet Panteris. Mit seinen gewellten schulterlangen grauen Haaren sieht der zierliche Mann so aus, wie Deutsche sich einen Griechen vorstellen. "Der Deutsche ist ein klassischer Freund und Tourist", sagt Savvas Chionides, der Bürgermeister von Katerini. Der klassische Tourist wird als Spezies selten.

Für die Reisekonzerne Alltours und FTI betreut Syrtaki Travel die deutschen Gäste vor Ort. Es werden immer weniger, und das seit Jahren. Dennoch wird es im Sommer kaum freie Zimmer geben. Die Griechen rechnen landesweit mit einem Andrang wie nie, mit 17 Millionen Urlaubern nach 15,5 Millionen im vorigen Jahr. Davon viele neue Gäste: "Phantastische Steigerungsraten gibt es vor allem aus Russland", so ein deutscher Reiseveranstalter.

Fokus auf den Inseln im Süden

Konzerne wie Tui und Thomas Cook setzen inzwischen mehr auf die Inseln im Süden des Krisenstaates, fernab von politischen und unübersehbaren sozialen Problemen in den Großstädten. Lufthansa hat die Strecke nach Thessaloniki Aegean überlassen, seinem Partner in der Star Alliance. Die Flüge werden weniger und teurer, also müssen die Hotels billiger werden, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Der ist hart: Eine Woche All-Inklusive gibt es im Hotel Poseidon Palace ab 579 Euro, bulgarische Hotels locken für 477 Euro ans Schwarze Meer, jeweils Vier-Sterne-Unterkunft, All-inklusive-Verpflegung und Flug. Alltours-Eigentümer Willi Verhuven warb 2012 in Anzeigen bereits persönlich für den Urlaub in Griechenland.

Hier an der griechischen Riviera, siebzig Kilometer westlich von Thessaloniki, ist der Wandel sichtbar: Wo früher deutsche Bildungsreisende sich die Details der Ausgrabungsstätten erklären ließen, urlaubt der gut situierte Mittelstand aus dem ehemaligen Ostblock. Die Deutschen kommen zwar noch, aber anders als früher. Viele buchen all-inklusive. Sie bleiben im Hotel, wo alles bezahlt ist: Büfett statt Taverne.

Auf dem Parkplatz stehen die großen Geländewagen der Autoreisenden aus dem ehemaligen Ostblock neben den kleinen Mietautos der deutschen Urlauber. Für viele ist das gewöhnungsbedürftig. Viel sagen wollen sie dazu nicht.

Afrodite Leina ist die Vorsitzende der Hoteliersvereinigung der griechischen Riviera. Sie nimmt den Wandel, wie er kommt: "Uns sind alle Gäste gleich willkommen." Bulgarien liegt nebenan, Rumänien ist nicht weit und aus Serbien dauert die Autofahrt nur gute zwei Stunden. Russland, Mazedonien, Polen, alle entdecken das erste warme Meer im Norden Griechenlands.

Für orthodoxe Christen ist der Berg Athos heiliges Gebiet, übt die Region um Thessaloniki eine starke Anziehungskraft aus. Auch etliche Israelis reisen hierher, seit ihre Armee ein Schiff für Syrien stoppte und sie nicht mehr gern in die Türkei fahren. Früher löste "ein Tourist aus Albanien" im griechischem Volkstheater einen Lacher aus, heute gibt es ihn tatsächlich, und keiner lacht ihn mehr aus.

Verständigung auf Deutsch

Noch sind 85 Prozent der Touristen an der griechischen Riviera aus Deutschland, nur 15 Prozent aus Russland. Das zeigt Nordgriechenlands traditionell enge Beziehungen zu Deutschland. Anders als in Italien gingen die griechischen Gastarbeiter nicht aus dem Süden ihrer Heimat nach Deutschland, sondern aus dem Norden. Viele kehrten zurück, deshalb ist häufig die Verständigung auf Deutsch möglich.

Etwa mit Georgios Toutziapakis, 39. Er hat 14 Jahre in Königstein im Taunus gearbeitet, in der Ratsstube. Nun ist er Kellner im Mediterranean Village, einem Neubau, der höchsten Ansprüchen genügt und beliebt ist auch bei Gästen aus Russland. Hier hofft man auf neue Urlauber aus Israel, Frankreich und Italien. Noch kommen die meisten Stammgäste aus Deutschland.

Im Großraum von Thessaloniki leben 5000 Deutsche. Es gibt ein Generalkonsulat mit klotzigem Marmoreingang, die Deutsche Schule im Gewerbegebiet neben dem Praktiker-Baumarkt. Die Staatsschuldenkrise hinterlässt Spuren: Auf der Graffiti-Außenwand des Goethe-Institutes hat jemand die Wörter "Bruderherz" und "Freiraum" mit schwarzer Farbe ausgestrichen.

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Es gab Demonstrationen gegen Bundeskanzlerin Merkel, und Otto Rehhagel reiste an, eine Art Freundschaftsspiel des Fußballtrainers, der die Griechen 2004 zur Europameisterschaft geführt hatte. Beim Gang durch die Straßen mit den vielen leeren Läden und den vielen Schildern "Zu vermieten" braucht sich niemand zu fürchten, sagt Costas Panteris. "Die Deutschen können sich zuhause fühlen wie früher."

Costas Panteris, der nun auch polnische Reiseveranstalter betreut, träumt von alten Zeiten und einer besseren Zukunft; als seine Mutter im Rosenheimer Eisstadion Köchin war und er beim Spezial-Reiseveranstalter am Münchner Marienplatz. "Es war nicht die Masse, die nach Griechenland reiste." Das ist vier Jahrzehnte her. Er möchte wieder kleinen Gruppen die kulturellen Schätze seiner Heimat zeigen, mehr bieten als Betten, Bars und Büfetts: "Für uns war Tourismus kein Geschäft, für uns war Tourismus eine Freude."

Afrodite Leina hat in Washington studiert und übernahm als älteste Tochter das Unternehmen in Nordgriechenland nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters. Der hatte einmal mit einem Restaurant in New York angefangen. Der Internet-Auftritt für ihre Hotels ist viersprachig - auf Griechisch, Russisch, Bulgarisch und Polnisch. Was wird sie machen, sollten einmal russische Investoren an ihren zwei Hotels Interesse zeigen? Verkauft sie dann? "Höchstens, wenn ich einmal alt bin." Das hat also noch Zeit. Sie ist erst Mitte vierzig.

© SZ vom 24.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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