Und jetzt liegt das Teleobjektiv daheim. Wer konnte schon ahnen, dass ein Ausflug auf die Istanbul vorgelagerte Prinzeninsel Büyükada in solch ein Spektakel münden würde? Auf einmal sind sie da, kommen in Wellen zu Tausenden, und gefühlt reißt der Strom der Vögel nicht ab, die sich direkt über einem in den Himmel schrauben, um dann, aus großer Höhe, weiter zu segeln. Eine halbe Stunde lang steht man also hier oben am Aussichtspunkt beim Kloster des Heiligen Georg und starrt ins gesprenkelte Blau. Bis der Nacken steif wird und man sich hinlegen muss - um im Liegen weiterzuschauen.
Zweimal im Jahr, im Herbst und im Frühling, machen sich die Störche auf ihre Reise von Europa nach Afrika und zurück. Der Winter in Europa ist ihnen - bislang zumindest - zu kalt. Vor allem aber ist es die drohende Futterknappheit, die die Vögel in den warmen Süden zieht, wo man sie dann in Ägypten im Fruchtland am Nil staksen sieht oder zwischen Büffeln in Uganda nach Reptilien suchend.
Wie aber schafft der große, schwere Storch diese weite Strecke? Nicht allein im Ruderflug. Störche nutzen zur Migration warme Aufwinde, die ihnen einen energiesparenden Segelflug erlauben. Und sie haben im Laufe der Evolution genau jene Strecken gefunden, entlang derer es starke Thermiken gibt. Eine Gruppe, die "Westzieher", fliegt über die schmale Mittelmeerenge bei Gibraltar. Die "Ostzieher" - und dazu gehört der Großteil der in Deutschland brütenden Störche - kann man in Israel beobachten, wenn sie in den Salzwiesen von Eilat Station machen oder an Scharm el-Scheich vorbeifliegen. Und wer besonderes Glück hat, ist zur rechten Zeit am Bosporus. Und zwar jetzt, im April.