Souvenirs: Die Vankatze:Auf der Suche nach dem Phantom

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Am Vansee im Osten der Türkei wirbt man überall mit Figuren einer ganz besonderen Katze, die angeblich gerne schwimmt - nur ein lebendes Tier zu finden, ist gar nicht so einfach.

Hans Gasser

Es gibt absolut kein Entrinnen. Sie ist schneller. Und sie ist immer schon da, wohin man auch kommt. Wer an den Vansee reist, jenen riesigen See im Osten der Türkei, der schaut allerorts in ein ungleiches Augenpaar, das eine himmelblau, das andere grün. Die Rede ist von der Vankatze, an der am gleichnamigen See so wenig ein Weg vorbeiführt wie am Chiemsee an der bayerischen Sau. Nein, gegessen wird sie nicht, die Katze, aber geworben wird mit ihr - und zwar massiv.

Diese Figuren - mal mehr, mal weniger kunstvoll gefertig - können Touristen rund um den Vansee fast überall kaufen. Nur das lebendige Vorbild fehlt. (Foto: Hans Gasser)

Da liegen etwa an der Hotelrezeption zwei Exemplare, räudig und verstaubt; sie sind nur aus Plüsch, fügen sich aber nahtlos ein in die Atmosphäre aus muffigen Teppichböden und veraltetem Mobiliar. Von Plakaten grinsen sie, die weißen Tiere mit den bunten Augen, von Postkarten und kitschig bemalten Keramiktellern, im Hintergrund die schneebedeckten Berge rund um Van. Und mitten auf einem Verkehrskreisel der Stadt steht ein derart monströses, wohl sieben Meter hohes Exemplar aus bemaltem Beton - schwer zu sagen, ob es eher erschreckend oder unfreiwillig komisch wirkt.

Die Vankatze umgibt ein Mythos, weil sie angeblich die einzige Katzenart ist, die freiwillig, ja geradezu freimütig schwimmt. Kein Wunder also, dass sie auch auf der Insel Aghtamar bereits da ist, als der Reisende nach 50-minütiger Bootsfahrt dort eintrifft, um die mehr als tausend Jahre alte armenische Kirche zu besichtigen. Im nebenan gelegenen Souvenirladen ist neben den winzigen Modellen der Kirche ein ganzes Rudel von Vankatzen aufgestellt.

Um industrielle Massenware handelt es sich sicher nicht, sie sehen eher so aus, als seien sie von den Grundschülern in Van - vielleicht als Strafaufgabe? - im Werkunterricht aus Gips gegossen und anschließend bemalt worden. 15 Türkische Lira nimmt der schnauzbärtige Souvenirverkäufer dennoch dafür, das sind siebeneinhalb Euro.

Aber wo ist das Vorbild für die Abbilder? Sprich: die Katze aus Fleisch und Blut? Sie soll so selten sein, heißt es, dass in Van extra ein Katzen-Forschungszentrum eingerichtet wurde - mit freundlicher Unterstützung der Europäischen Union. Fündig wird man schließlich aber nicht dort, sondern in einer Teppich-Manufaktur.

Hier gibt es Kelims jedweder Provenienz. Der Firmenchef erzählt, dass zurzeit sogenannte Karabach-Kelims weggingen wie warme Semmeln, weil die Webteppiche mit großen Blumen darauf in der türkischen Fernsehserie "Liebe und Strafe" überall herumliegen. Vermutlich zum Ködern von Touristen hält man hinter der Teppich-Manufaktur in einem Käfig im Garten mehrere Vankatzen aller Altersstufen. Tatsächlich haben manche ein blaues und ein grünes Auge. Einmal befreit, streichen sie um die Beine wie ganz normale Katzen. Der sie betreuende Wächter erklärt, es sei für die Art typisch, dass sie sich nicht gerne in die Augen schauen lassen, sich auch von Fotoobjektiven instinktiv abwenden.

Das ist tatsächlich so. Die Luder schauen immer just dann weg, wenn man auslösen möchte. Ob sie wirklich so gern schwimmen, wie gesagt wird, lässt sich nicht abschließend klären. Denn leider ist der Vansee zu weit von der Knüpferei entfernt, als dass man sie mal sprichwörtlich ins kalte Wasser werfen könnte.

Ein Vankatzenbaby nach Deutschland mitzunehmen, empfiehlt sich übrigens nicht. Denn darauf steht in der Türkei eine Strafe von bis zu 35.000 Euro. Die Strafaufgaben-Modelle von der Insel Aghtamar sind aber straffrei.

© SZ vom 14.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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