Der Ring passt nicht mehr. Keine Chance am Ringfinger. Es ist ein schlichtes, ein hübsches Stück: Opal, milchig-matt schimmernd, in Gold gefasst. Die Schwester hatte ihn ihr geschenkt, damals vor mehr als 30 Jahren. Da konnte Gerda Meyer nicht wissen, dass dieser Ring ihr Leben bestimmen würde.
Nix als Löcher: Die Gegend rund um Coober Pedy gleicht einer Kraterlandschaft.
(Foto: Foto: AFP)Und jetzt liegt er auf dem Küchentisch und passt nicht mehr. "Ich arbeite einfach zu viel", sagt sie und zeigt ihre Hände. Arbeiterhände, verbraucht und gichtig sehen sie aus. Jahrzehnte lang haben sie gegraben, tief unter der Erde nach Opal gehämmert und gebuddelt. Jetzt ist Gerda Meyer 60 und hat "keine Lust mehr auf den verdammten Opal". Jetzt hat sie Lust auf Gold. "Das ist viel einfacher aus der Erde zu holen. In Westaustralien, Perth. Die einzige Stadt auf der Welt, die ich mag."
Gerda Meyer ist ein bisschen verrückt. Nur dort, wo sie lebt, sind sie das alle. Coober Pedy: ein staubiges 3500-Einwohner-Städtchen im südaustralischen Outback, in der Mitte von nirgendwo zwischen Adelaide und Alice Springs. "Opal-Hauptstadt der Welt": In der großen Zeit, den 1960er und 70er Jahren, kamen 90 Prozent der Weltproduktion aus Coober Pedy.
Heute sind es nach Expertenmeinung noch etwa 60 Prozent, doch viele der Pioniere von einst sind immer noch da. So wie Gerda Meyer. Wie die meisten der Opalgräber wohnt sie wegen der Hitze unter der Erde. Im Dezember hat es hier 45 Grad, kühlen Wind gibt's nicht, selbst die Kängurus verziehen sich in Höhlen.
Die ins Gestein gehauene Zweihundertquadratmeter-Wohnung von Gerda Meyer ist ein bernsteinfarbenes Gesamtkunstwerk, ein irreal-futuristisches Ambiente wie in einem Bond-Film aus den frühen Siebzigern. Jeden Moment muss Sean Connery um die Ecke biegen. Stattdessen drückt sich eine schwarze Katze an der Wand entlang - ihr einziger Begleiter, nachdem von ihren zwei Lieblingshunden nur noch ein Foto übrig geblieben ist.
Ihre Stimme klingt nach sehr vielen Zigaretten, und die Tatsache, dass sie aus der Schweiz kommt, ist auch nach all den Jahren nicht zu überhören. Im Appenzeller Land hatten sie ein Gasthaus samt Skilift, doch Mitte der 70er wollte sie los, raus in die weite Welt. "Nur mal gucken, ob's mir gefällt. Dann bin ich auf die Idee mit dem verdammten Opal gekommen, und jetzt bin ich immer noch hier."
An der Wand eine Winterlandschaft
Das Visum für Australien war kein Problem; sie arbeitete zunächst in einer Fabrik, um Englisch zu lernen. Kollegen sahen ihren schönen Ring und brachten sie auf die Idee mit dem Opalsuchen. In Lightning Ridge, New South Wales, fing sie an. Es ging nicht gut: Ihr Stollen brach ein, mit Müh' und Not konnte sie noch rauskrabbeln und fuhr zurück in die Heimat.
Drei Jahre hielt sie es aus, dann war das Fernweh zu groß. "Ich hab' immer von Australien geträumt. Von der Schweiz nie." 17 Jahre war sie nicht mehr daheim, Schwester und Bruder kamen mal zu Besuch. Und doch: An der Wand eine Winterlandschaft bei Bern, auf dem Tisch ein deutsches Kreuzworträtsel, im CD-Player "Skihasen-Hits", am Eingang der Spruch "Lieber besoffen und lustig als nüchtern und doof", in der Küche eine Kuckucksuhr - "die ist aber aus Melbourne, aus dem Restaurant Kuckuck".