Skurrile Bar in der Schweiz:Wodka mit Alien

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Mischung aus Raumschiff und Walfriedhof: die Bar des Giger-Museums. (Foto: Mathias Belz)

In einem Schweizer Dorf hat HR Giger, der Schöpfer des Film-Monsters aus "Alien", eine Bar im Stil seiner Albtraumwelt eingerichtet. Vieles erinnert an Ridley Scotts Meisterwerk - nur nicht die frühe Sperrstunde.

Von Jochen Temsch

Leicht besteigen lassen sich diese Knochen-Throne nicht. Sie sind auf einem Podest befestigt und drehen sich gut geölt unter dem Zugriff verunsicherter Gäste. Die schwarz gekleidete Barkeeperin beobachtet die Kletterkünste ihrer Kundschaft skeptisch. Doch kaum hat man einen der Sessel bezwungen, entpuppt er sich als erstaunlich bequem. Die meterhohe Lehne in Form eines Rückgrats mit Beckenknochen obendrauf ist mit weichem Gummi gepolstert und schmiegt sich eng an den Körper.

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Die Theke selbst ist organisch geschwungen, die Wand mit den Flaschen ähnelt einem geöffneten Brustkorb. Knochig ist auch das höhlenartige, vier Meter hohe Deckengewölbe aus Wirbelsäulen, Totenköpfe zieren die Tischbeine, und von der Decke baumelt eine gurkenförmige Schädelplatte mit Licht-Zitzen: heimelige Apéro-Stimmung in der Bar des Giger-Museums in Gruyères, einer Mischung aus Raumschiff und Walfriedhof aus der Albtraumwelt HR Gigers.

Selbst das Blut noch ätzende Säure

Der Schweizer Surrealist hat für Ridley Scotts Meisterwerk Alien aus dem Jahr 1979 das schaurigste Monster des Universums erschaffen und einen Oscar dafür erhalten. Diese Ausgeburt menschlicher Urangst, jedes Körperteil eine Waffe, selbst das Blut noch ätzende Säure, war der vorläufige Höhepunkt eines umfangreichen Œuvres.

Schon lange vor dem Alien hatte sich der heute 73 Jahre alte, zurückgezogen bei Zürich lebende Künstler den Abgründen der Seele gewidmet. Die Ästhetik technischer Perfektion kontrastiert Giger in Gemälden und Skulpturen mit Abnormalem, Ekelhaftem, Verstörendem. Mechanisches paart sich mit Organischem. Auch morbide Erotik gehört dazu. Ein Raum im Museum befindet sich hinter einem schwarzen Vorhang, dahinter leuchtet Rotlicht: Zutritt erst ab 18.

Und das ausgerechnet im beschaulichen Gruyères im Kanton Fribourg, woher der gleichnamige Käse stammt und wo der Röstigraben verläuft, die Grenze zwischen deutsch- und französischsprachiger Schweiz. Das mittelalterliche Dorf auf einem Hügel inmitten einer lieblichen Postkartenlandschaft zählt 150 Einwohner - und 1,2 Millionen Touristen pro Jahr. Sie besuchen den historischen Marktplatz, eine Puppenstube mit Käsefondue-Restaurants und das Schloss, dessen Geschichte bis ins 11. Jahrhundert reicht.

Ein Teil davon, das 400 Jahre alte Château St. Germain, beherbergt das Giger-Museum. Hansruedi Giger hat es sich 1998 mit seinen Skulpturen, großformatigen Gemälden sowie Zeichnungen, Modellen und Kostümen von den Alien-Dreharbeiten selbst eingerichtet. Er entdeckte das Gebäude nach einer Ausstellung phantastischer Kunst im Schloss. Die etablierte Kunstszene verweigert Giger bis heute die Anerkennung - zu vordergründig, zu kommerziell seien seine Arbeiten, "gepflegter Heavy-Metal-Kitsch", befand ein Kritiker.

Drinks, inspiriert vom Alien

"Mir gefallen seine Sachen", sagt Karine Pasquier, die Chefin der Bar. Was sie anödet, sind Fragen von Gästen wie: "Bist du das Alien?" Oder: "Träumst du schlecht?" Es ist Samstagabend. Pasquier trägt schwarzen Nagellack, ein Oberteil mit Tigermuster und eine Glitzerhalskette. Sie sei auf dem Sprung nach Montreux, zu einer Party mit einem französischen Schauspieler, sagt sie. Glamour vermisse sie auf dem Dorf schon ein wenig. Eigentlich, meint sie, müsse eine solche Bar in einer Metropole wie London oder Los Angeles stehen. Es gab einmal Giger-Bars in Tokio und New York, doch die sind geschlossen.

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Nachtschwärmer aus den nahegelegenen Städten scheuten die kurvenreiche Fahrt herauf nach Gruyères, sagt Pasquier. So kämen fast nur Touristen. Am Eingang hängt ein Schild: "Fotografieren nur für Gäste." Das Angebot ist dem flüchtigen Publikum angepasst: Sandwiches, Chips und Flüssiges, inspiriert von den Wachstumsschüben des Aliens: zum Beispiel roter Wodka "Facehugger", nach den Viechern, die sich im Gesicht ihrer Opfer festkrallen, oder Kaffee "Chestbuster", der an die Angewohnheit des Aliens erinnert, aus Körpern hervorzubrechen.

Giger sei ab und zu hier, erzählt Karine Pasquier und zeigt seinen Stammplatz, einen der Knochenstühle am Eingang, unter der Skulptur eines Frauentorsos mit dolchartigen Metallbrüsten. "Von hier aus hat er alles im Blick." Und noch ein paar Senioren schauen regelmäßig vorbei: Sie wohnen im Pflegeheim, Tür an Tür mit der Giger-Bar. Die Nachtruhe der Alten ist auch der Grund für die frühe Sperrstunde: Um 20.30 Uhr ist der Spuk beendet.

Informationen

Anreise: mit dem Zug, einfache Fahrt z. B. ab München ab etwa 100 Euro, www.db.de, www.sbb.ch

Museum HR Giger : Château St. Germain, 1663 Gruyères, Tel.: 0041/269 21 22 00, www.hrgiger.com

Allgemeine Auskünfte: Schweiz Tourismus, Tel.: 00800/10 02 00 30, www.myswitzerland.com

© SZ vom 05.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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