Sant'Erasmo:Venedigs grüne Insel

In Venedig ist der Platz eng begrenzt, zum Glück bietet die Lagune Inseln als Ausweichmöglichkeit. Auf der Garteninsel Sant'Erasmo finden Touristen das, was in Venedig ebenfalls selten ist: Ruhe. Bis am Sonntag die Picknicker kommen.

Susanne Popp

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(Foto: Susanne Popp)

In Venedig ist der Platz eng begrenzt, zum Glück bietet die Lagune Inseln als Ausweichsmöglichkeit. Auf der Garteninsel Sant'Erasmo finden Touristen das, was in Venedig ebenfalls selten ist: Ruhe. Bis am Sonntag die Picknicker kommen. Von Susanne Popp Venedig an einem Sonntagnachmittag: Auf der Rialtobrücke kommen sich im Gedränge die fotografierenden Japaner, Deutschen und Amerikaner näher, um den besten Blick auf den Canal Grande festzuhalten. Unter der Brücke gleiten schwarze Gondeln mit mal mehr, mal weniger verliebten Paaren über das Wasser. Es riecht nach Meer, Kaffee und Pizza. Die Lagunenstadt ist ohne Touristenmassen genauso wenig vorstellbar wie der Markusplatz ohne Tauben. Aber sogar in Venedig können Besucher ein entspanntes Wochenende verbringen - wenn sie dem Zentrum immer wieder den Rücken zukehren. Ziel ist die Insel Sant'Erasmo, die mit etwas mehr als drei Quadratkilometern größte in der Lagune vor der Stadt, wichtiger Gemüse-Lieferant und damit der Garten von Venedig.

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(Foto: Vera Weiß)

Sant'Erasmo erreicht man von Venedig aus in knapp 30 Minuten mit dem Wassertaxi. Die Vaporetto Linie 13 steuert tagsüber vom Bootssteg Fondamenta Nuove aus stündlich die Garteninsel an. Die schwimmenden Taxis umschiffen sicher den regen Verkehr aus Motorbooten und Gondeln in der Lagune.

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(Foto: AFP)

Die erste Haltestelle auf der Fahrt ist die Glasbläserinsel Murano. Da der Raum in Venedig naturgemäß begrenzt ist, werden alle umliegenden Inseln traditionell von den Stadtbewohnern genutzt. Auf Murano entstehen seit Ende des 13. Jahrhunderts auch als Souvenir beliebte Glasbläserarbeiten (im Bild gläserne Kronleuchter, die in der Archimede-Seguso-Glasfabrik auf Murano ausgestellt sind).

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(Foto: iStockphoto)

Die Fährstrecke führt weiter vorbei an San Michele, Venedigs Friedhofsinsel, nach Capannone, dem ersten Hafen auf Sant'Erasmo.

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(Foto: Susanne Popp)

Die größte Insel der Lagune vor Venedig diente und dient als grüner Garten der Stadt. Von Äpfeln bis Wein wird auf Sant'Erasmo alles angebaut, was die italienische Küche benötigt. Ein Spaziergang über die rund drei Quadratkilometer Inselfläche gleicht daher dem Besuch einer Gärtnerei.

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(Foto: Vera Weiß)

Beginnend an der Taxianlegestelle führt die Via del Motte, die einzige größere Straße der Insel, zum Hauptort Sant'Erasmo Chiesa. Links und rechts der einspurigen Fahrbahn erstrecken sich Felder mit akkurat gezogenen Saatreihen. Dazwischen wachsen Weinstöcke, Apfelbaumplantagen mit rot leuchtenden Früchten und endlose Reihen an Tomatensträuchern. Die Versuchung, einfach zuzugreifen, ist groß.

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(Foto: Vera Weiß)

Auf Sant'Erasmo lohnt es sich früh aufzustehen und den Sonnenaufgang zwischen Pinien und Pappeln über der Insel zu beobachten. Von Capannone aus erreicht man das Wahrzeichen der Insel, den Torre Massimiliano, zu Fuß in einer Viertelstunde. Er diente im 19. Jahrhundert der Verteidigung der Lagune gegen feindliche Schiffe aus der Adria. Heute steht der Ziegelbau unter Denkmalschutz und beherbergt ein Ausstellungszentrum.

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(Foto: Vera Weiß)

Berühmt ist die Insel aber für ihr Gemüse, vor allem für die Carciofo Violetto di Sant'Erasmo (junge, violette Artischocken, die auf dem Rialto und Tronchetto Markt verkauft werden - die rohen Knospen gelten als Delikatesse) und den noch grünen, ganz dünnen Spargel. Die Gemüsefelder und Obstplantagen werden über schmale Kanäle bewässert, die das Brackwasser der Lagune über Schleusen zu den Nutzflächen leiten.

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(Foto: Susanne Popp)

Im südlichen Teil von Sant'Erasmo bietet sich am Sonntagnachmittag ein faszinierendes Schauspiel: Bis etwa ein Uhr ist es am kleinen Sandstrand der Insel friedlich. Vereinzelte Touristen liegen träge auf bunten Handtüchern und beobachten die nach Venedig fahrenden Schiffe. Alles ist ruhig. Dann kommen die Venezianer. Wie auf ein geheimes Zeichen knattert plötzlich ein Motorboot nach dem anderen in die Lagune. Geankert wird wenige Meter vom Ufer entfernt und italienische Großfamilien, Jugendliche und Pärchen entern den Strand.

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(Foto: Susanne Popp)

Was für Istanbuler die Prinzeninseln sind, ist Sant'Erasmo für die Venezianer. Am Wochenende werden Picknickutensilien und Grills ans Ufer geschleppt, Sonnenschirme und regelrechte Tafeln aufgebaut. Mit der deutschen Variante von belegten Broten und Bierflaschen hat ein italienisches Picknick wenig gemeinsam. Raffinierte Vor- und Nachspeisen werden aus riesigen Kühltaschen geholt, diverse Fleisch- und Fischkreationen auf den Grills zubereitet. Dazu trinken die fröhlich-lauten Italiener Wein und Sekt. Nur wenige Venezianer verzichten auf dieses Picknick und setzen sich zu den anderen Inselgästen an die Strandbar "Pizzeria da Tedeschi". Obwohl der Name des kleinen Lokals auf den deutschen Touristengeschmack zugeschnittene Küche vermuten lässt, schwärmen auch Einheimische von der Pizza des Hauses.

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(Foto: Susanne Popp)

Auf Sant'Erasmo leben etwa 750 Einwohner. Einige ältere Insulaner arbeiten noch in der Landwirtschaft, die Jugend verlässt die Insel jedoch meist. Wer bleibt, pendelt nach Murano oder Venedig. Seit einigen Jahren wird versucht, die Abwanderung der jungen Einwohner zu stoppen und über den Tourismus neue Arbeitsplätze zu schaffen. So werden die alten Befestigungsanlagen am Ufer renoviert und der Hauptort Sant'Erasmo Chiesa modernisiert. Das Zentrum des Ortes ist die Kirche Christo Re. Das hellgelbe Gebäude liegt direkt am Hafen, eingerahmt von den flachen Inselhäuschen. Vom Kirchenvorplatz blickt man weit über die Lagune. Die Luft riecht würzig, nach Erde, Früchten und Meer. In den Sommermonaten fliehen viele Venezianer vor der schwülen Hitze in der Stadt nach Sant'Erasmo.

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(Foto: Vera Weiß)

Der Verkehr hält sich auf Sant'Erasmo in Grenzen. Nur ab und an werden Spaziergänger von einem der wenigen Autos überholt, die als Transporter für Touristen mit zu sperrigen Koffern dienen. Einheimische ziehen Fahrräder vor. Mit lauten Klingelkonzerten grüßen die Radler den Nachbarn, schimpfen über knatternde Vespas oder klingeln Touristinnen hinterher. Zu Fuß lässt sich die Insel leicht umrunden. Abseits der Via del Motte durchschneiden nur schmale Straßen und Schotterwege die Wiesen und Felder Sant'Erasmos. An einigen Stellen führt der Küstenweg direkt am Ufer entlang und bei Ebbe kann man vom südöstlichen Teil der Insel zu den kleinen Strandinseln La Motta oder Secca del Bacán wandern.

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(Foto: Susanne Popp)

Gegen Abend treffen sich an den Vaporetto-Stationen von Sant'Erasmo Inseljugend und Touristen. Während erstere ihre Räder und Vespas vor dem kleinen Inselkiosk gruppieren und mit Snacks und Getränken ihr Wochenende feiern, machen sich die Gäste auf den Weg in die Altstadt Venedigs für einen Rundgang zwischen den Palazzi.

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(Foto: Susanne Popp)

Vom Wassertaxi aus sieht man die Sonne langsam hinter den Türmen der Stadt versinken, deren mystisch-morbide Stimmung (trotz der Menschenmenge, die sich auch in späteren Abendstunden durch die Gassen schiebt) nicht gegensätzlicher zu den grünen Feldern auf Sant'Erasmo sein könnte.

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