Protest gegen Einmarsch in der Ukraine:"Nicht zu tolerieren"

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Unterwegs mit der Transsibirischen Eisenbahn? Der Reiseveranstalter Lernidee, der Reisen mit der Transsib auch im Winter im Programm hat, sagt diese bis zunächst Ende Juni ab. (Foto: Philippe Michel /imago images)

Immer mehr Reiseveranstalter nehmen Russland aus dem Programm. Airbnb will Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung stellen.

Als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine und aus Sorge um die Sicherheit der Reisenden haben mehrere Reiseveranstalter Russland aus ihren Programmen genommen. Die staatliche Agentur für Tourismusentwicklung der Ukraine hatte ihrerseits zu einem kompletten Boykott im Reiseverkehr mit Russland und zur Kappung aller Geschäftsbeziehungen aufgerufen. Konkret richtet sich die Behörde nach Angaben der Fachzeitschrift fvw an "alle Reisemedien, alle Flug-, See- und Landtransportunternehmen, alle Online-Vermittlungsstellen und andere: Stellen Sie Ihre Aktivitäten in/mit Russland ein, verbieten und sperren Sie alle russischen Profile, beenden Sie die Zusammenarbeit!"

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Das Auswärtige Amt hatte bereits kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine seine Reisehinweise verschärft. Es rät nun generell von Reisen nach Russland ab und warnt vor Reisen in die Grenzregion zur Ukraine. Mehrere Reiseveranstalter hatten in den vergangenen Tagen von sich aus ihre Reiseangebote nach Russland ausgesetzt - als Zeichen des Protests sowie aus Sorge um die Kunden. Als erster hatte der Münchner Trekking-Spezialist Hauser Exkursionen Russland boykottiert. "Wir fühlen uns aus ethischen und moralischen Gründen verpflichtet, ein klares Zeichen zu setzen", sagt Manfred Häupl, Geschäftsführer von Hauser Exkursionen. "Wer Völkerrecht absichtlich mit Füßen tritt und zudem militärisch aktiv in ein Nachbarland einmarschiert, darf nicht toleriert werden."

Wie Hauser stoppte auch Chamäleon Reisen alle Russland-Reisen für dieses und nächstes Jahr und spendete 5000 Euro an eine humanitäre Organisation. "Ich hoffe sehr, dass das Leid so schnell wie möglich endet und alle Menschen in der Ukraine ihre Freiheit behalten", so Inhaber Ingo Lies. "Gleichzeitig wünsche ich mir für die Menschen in Russland, dass die Ära Putin möglichst bald endet."

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Von Nils Minkmar

Lernidee Erlebnisreisen sagt bis Ende Juni seine Reisen nach Russland ab. Der Veranstalter ist Marktführer im Geschäft mit Reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn. Neben Fahrten mit der Transsib zum Beispiel an den Baikalsee sind bei deutschen Urlaubern vor allem Städtereisen nach Moskau und St. Petersburg gefragt. Aber auch hier reagieren die Anbieter.

Reedereien weichen auf das Häfen im Baltikum aus

Mehrere Reedereien wollen russische Häfen nicht mehr anlaufen. Die Kreuzfahrtreederei Tui Cruises kündigte am Montag an, wegen des Angriffs auf die Ukraine die russische Hafenstadt St. Petersburg aus ihrem Programm zu streichen. "Vor dem Hintergrund der Ereignisse haben wir uns aus ethischen und moralischen Gründen entschieden, die Fahrpläne unserer Ostsee-Kreuzfahrten von Mai bis Oktober 2022 anzupassen: Wir werden St. Petersburg nicht mehr anlaufen", teilte eine Sprecherin der Reederei in Hamburg mit. Alternativ sollen Städte im Baltikum wie Klaipėda in Litauen und Riga in Lettland beziehungsweise Kopenhagen in Dänemark und Visby in Schweden angesteuert werden.

Die Reedereien MSC und Aida Cruises schlossen sich dem Boykott an: Die vier Schiffe der MSC-Flotte, die St. Petersburg auf ihren Routen im Sommer 2022 angelaufen hätten, werden dies von Ende Mai bis Oktober nicht mehr tun, teilte die Reederei mit. Seit Beginn des Krieges sei man mit alternativen Häfen wie Stockholm, Helsinki oder Tallinn in Kontakt, um die Anläufe für die vier Schiffe zu bestätigen. Eine Aida-Sprecherin sagte: "Die Sicherheit und das Wohlergehen der Gäste und der Besatzung haben höchste Priorität."

Auch der Reisekonzern FTI setze sein Angebot für Reisen nach Russland bis auf weiteres aus, teilte Ralph Schiller, CEO der FTI Group, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit. Für die Ukraine hat der Konzern das bereits Mitte Februar getan. Generell sei aber die Nachfrage nach Russland schon seit Längerem aufgrund der Pandemie zurückgegangen, und Reisen dorthin wurden weniger gebucht.

Der Veranstalter Go East aus Hamburg sagte, es gebe inzwischen Stornierungen: "Es stornieren vor allem Kunden, die schon in den kommenden Wochen mit uns nach Russland reisen wollten", zitiert das Branchenmagazin " FVW" Veranstalterchef Jochen Szech.

Die Plattform Airbnb kündigte unterdessen an, dass man weltweit bis zu 100 000 Geflüchteten aus der Ukraine kostenlose, vorübergehende Unterbringung ermöglichen werde. Diese Aufenthalte würden von Airbnb, den Spenden des Airbnb.org Refugee Fund und den beteiligten Gastgebern und Gastgeberinnen finanziert. Wie andere große Online-Reiseportale sich positionieren werden, ist offen.

Der Europa-Park in Rust benennt eine Achterbahn um

Auch der Europa-Park in Rust zieht Konsequenzen. Deutschlands größter Freizeitpark und der Gaspipeline-Betreiber Nord Stream 2 werden wegen des Kriegs um die Ukraine mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres nicht mehr zusammenarbeiten, teilte eine Sprecherin mit. Auf den Internetseiten wurden die Achterbahn "Blue Fire Megacoaster" und der "Blue Fire Dome", in denen das Publikum unter anderem auf großen LED-Bildschirmen Eindrücke von der Unterwasserwelt der Ostsee bekommen soll, bereits umbenannt. Die Attraktionen hießen bis dahin "Blue Fire Megacoaster powered by Nord Stream 2" beziehungsweise "Nord Stream 2 Dome", was ehemals die "Gazprom Erlebniswelt" war. Das Unternehmen Nord Stream 2 listet die Attraktionen unter Kultursponsoring auf. Um welche Summen es geht, sagte die Europa-Park-Sprecherin nicht.

Die Blue Fire Achterbahn trägt jetzt nicht mehr den Zusatz "Nord Stream 2". Der Europapark hat die Zusammenarbeit mit dem Sponsor bis auf weiteres ausgesetzt. (Foto: André Crusius /imago images/Zoonar)

Auch der in Gießen ansässige Paketreisespezialist Service-Reisen setzt Reisen nach Russland bis Ende April aus. Service-Reisen ist ein Großhändler, der touristische Leistungen zu einer Pauschalreise bündelt und dabei mit Reiseveranstaltern zusammenarbeitet. "Unsere Kunden hoffen natürlich darauf, wieder zeitnah Reisen nach Russland durchzuführen", so Adriano Matera, Mitglied der Geschäftsführung. "Allerdings wollen wir die Entwicklungen in den kommenden Wochen erst einmal beobachten. Neben dem Sicherheitsaspekt für die Reisenden geht es aktuell für unsere Kunden oft auch um ethische und moralische Fragen. Besonders für die Partner und Freunde vor Ort hoffen wir auf eine schnellstmögliche Befriedung der Lage in der Ukraine."

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