Der Roadtrip startet am Flughafen: Mit dem Mietwagen lässt man Lissabon hinter sich und folgt der Westküste gen Süden. Um Mautgebühren zu vermeiden, ignoriert man am besten die Autobahnen und biegt ab in schmale Landstraßen, die an kleinen Dörfern vorbeiführen. Die Häuser stehen kalkweiß zwischen Agaven und Korkeichen, Orangenbäume zieren die Dorfplätze. An besonders schönen Gebäuden wie dieser Windmühle muss Zeit sein für eine Fotopause, bevor es weitergeht zum Naturpark im Südwesten des Alentejo und der Costa Vicentina - einer der schönsten Landschaften Europas. Die rauen Atlantikwinde an der Küste halten Badetouristen fern, vor allem im Herbst geht hier niemand ohne Neoprenanzug ins Wasser - wenn überhaupt: Wellen branden gegen die Steilküste, doch Strände sind über Feldwege erreichbar, die nicht einmal in den üblichen Karten aufgeführt sind. Oft weist nur ein winziges Schild in einem Dorf darauf hin. Wer nicht wellenreitet, erkundet die Gegend bei Spaziergängen oder Mountainbike-Touren.
Schon beim ersten Zwischenstopp in Aljezur in einem der vielen Cafés fällt auf, wie gut der Kaffee schmeckt. Auf Stühlen, Sonnenschirmen und Markisen ist die Werbung der jeweiligen Rösterei aufgedruckt: So wissen die Einheimischen, welche Sorte Kaffee sie erwartet. Die Portugiesen bestellen meist einen kleinen Espresso, der Bica heißt. Kaffeetrinken hat eine lange Tradition: Als Seemacht lernten die Portugiesen die Bohnen früh zu schätzen und zelebrieren sie noch immer. Egal wie klein das Café, neben der Maschine steht stets eine Kaffeemühle. Coffee to go ist unüblich, die Zeit für eine Bica - ob im Sitzen oder stehend am Tresen, wo es billiger ist - nimmt sich jeder. Neben der Tasse liegen stets zwei Zuckertütchen, schließlich kommt "Bica" von "Beba Isto Com Açúcar" ("Trink das mit Zucker"). Süß ist auch das Gebäck der Pastelarias, typisch sind die Puddingtörtchen (Pastéis de Nata).
Bei Aljezur, wo sich in den 1980er-Jahren viele Deutsche angesiedelt haben, lohnt ein Abstecher in die Hügel im Hinterland. Eine schmale Straße führt zum höchsten Berg Südportugals: der Fóia ist 902 Meter hoch. Bei klarem Wetter blickt man über die Serra de Monchique und entdeckt die nächsten Ziele in der Ferne: Sagres ganz im Westen der Algarve oder Portimão weiter östlich.
Zurück an der Küste am Praia da Arrifana (hier im Bild), geht die Fahrt weiter in Richtung Süden. Das Dorf Carrapateira ist nicht einfach zu finden: Einheimische haben den Tipp gegeben, aber im Navigationsgerät ist es nicht verzeichnet - zum Glück gibt es nicht so viele Straßen am Atlantik. Vom Dorf aus führt ein ungeteerter Feldweg zum Meer, wo außer ein paar Wildcampern kaum Menschen zu sehen sind. Entweder steigt man hinab zum Estrada da Praia oder fährt weiter die Steilküste entlang, die von hier aus besonders eindrucksvolle Blicke eröffnet auf die Wellen, die kaum gebremst an den Klippen brechen - einer der schönsten Aussichtspunkte auf den Atlantik.
Wenige Kilometer südlich der Strände liegt Vila do Bispo, eines der typischen, weiß gekalkten Dörfer. Das Straßenbild prägen alte portugiesische Männer und junge mitteleuropäische Surfer. In der Sonne trocknet Bacalhau (Kabeljau), der abends in der lokalen Taverne in einer typischen Cataplana (Kupfertopf mit Deckel zum schonenden Garen) serviert wird.
Im gefliesten Gastraum des "A Tasca do Careca" in Vila do Bispo werden schon seit Jahrzehnten Oktopuseintöpfe oder Pfahlmuscheln serviert, die man auf deutschen Speisekarten höchstens mit etwas Glück findet. Der Shrimpseintopf mit Brot reicht für zwei hungrige Reisende.
Wem selbst die nahen Dörfer zu weit vom Strand entfernt sind, bleibt einfach da: Wildcamper werden für ein oder zwei Nächte meist geduldet - sie haben am Morgen die Wellen für sich. Für Schwimmer ohne Neoprenanzug ist es zu kühl, dafür freuen sich Spaziergänger bei einem Frühstückssnack über den leeren Strand. Das Frühstück kann deftig ausfallen mit Brot, Käse, Wurst und diversen Dosenfischen in Olivenöl aus der Region. Oder man holt sich im nächsten Dorf frisches Mandelgebäck und trinkt dabei die erste Bica.
Am Cabo de São Vicente, dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands, führt die Straße an Sagres vorbei auf die Touristenmeile Portugals: die Algarve. Die kleinen weißen Dörfer mussten schon lange dicht an dicht stehenden Hotelhäusern in Portimao und Albufeira weichen. Während man am Atlantik noch auf gut Glück die kleinen Straßen abfahren musste, um an sein Ziel zu kommen, sind nun jeder kleine und alle größeren Strände und Orte gut ausgeschildert. Spaziergänger können an manchen Stellen vom Strand aus beobachten, wie sogar auf den Felsen darüber gegolft wird - etwa am Loch 6 "The Devils Parlour" des Golfplatzes Pine Cliffs in Albufeira. Die Algarve ist ein beliebtes Ziel für Golfer, knapp 40 Plätze stehen ihnen zur Verfügung. In den Hotelstädten dominieren Touristen statt Senioren und Surfern das Bild, alte Tavernen findet man kaum - jedenfalls nicht in Strandnähe. Daher lohnt sich ein längerer Stopp erst wieder in Faro: eine kleine Stadt mit typischen verkachelten Häusern. Noch schöner wird es weiter östlich in Tavira.
Tavira, fast schon an der Grenze zu Spanien gelegen, ist mit ihrem beinahe venzianischen Charme die schönste Stadt an der Algarve - auf den ersten Blick. Vor Jahrhunderten hatte sie große Bedeutung als Hafen- und Fischereistadt, nun lebt sie vor allem von den Touristen, die von den Burgmauern aus über Tavira blicken oder einen Ausflug an die Ilha de Tavira machen: Die vorgelagerte Sandbank ist zu Fuß oder mit einer kleinen Lok erreichbar, am Strand haben Bars geöffnet. Doch eine heile Welt ist das hier nicht: Die Krise hat auch den Osten der Algarve im Griff: An vielen Läden in Tavira hängen Schilder: "vende se" - zu verkaufen.
Etwas nördlich liegt die Gemeinde Azinhal mit 500 Einwohnern. Sie ist Ausgangspunkt für eine Wanderung, um einen Blick hinüber zum großen Nachbarn am anderen Flussufer zu werfen: Spanien. Auf dem Weg zwischen Mandelplantagen begegnet man nur streunenden Hunden, verlassene Landschaftsbetriebe bröckeln in der Sonne vor sich hin. Schließlich taucht die mit mehr als 660 Metern drittlängste Brücke Portugals auf (nach den Lissaboner Brücken Ponte Vasco da Gama und der Ponte 25 de Abril): Die Ponte Internacional do Guadiana verbindet die Algarve mit Spanien.
Auf dem Weg in den Norden lässt man die Algarve hinter sich: Die Burg von Mértola liegt bereits im Alentejo. Die Geschichte der Stadt ist älter als 3000 Jahre, Römer und Mauren herrschten hier und hinterließen ihre Spuren - ebenso wie die Reconquistadoren: Nach der Vertreibung der Muslime ließen sie die fünfschiffige Moschee unterhalb der Burg im Jahr 1238 zur Ingreja de Nossa Senhora da Assuncao umgestalten. Wegen archäologischer und ökologischer Schätze - etwa seltenen Tieren wie dem Iberischen Luchs - ist rings um Mértola der Parque Natural do Vale do Guadiana 1995 gegründet worden. Eine lange Historie hat auch die schöne kleine Stadt Beja - doch am Abend ist die Suche nach einer Taverne erst einmal wichtiger. Die Lokale sind in der Altstadt gar nicht so leicht zu finden, aber wer aufmerksam durch die Gassen läuft, hört das Klappern von Geschirr. Und entdeckt etwa "A Pipa", eine Taverne mit nur sieben Gerichten, einer offenen Küche und einer schlichten, aber gemütlichen Einrichtung. Die Einheimischen bestellen Lamm oder den beliebten gesalzenen Bacalhau zu Olivenöl-Petersilien-Suppe mit Ei.
Zum guten Essen gehört guter Wein, am besten in Portugal produzierter: Die "Rota dos Vinhos do Alentejo" führt ins regionale Anbaugebiet. Wo einst Getreidefelder wuchsen, ziehen heute Weinstöcke lange Linien in die Landschaft. Wie alles anfing und wie es weitergeht mit dem Alentejo-Wein, erfahren Besucher im Museu do Vinho in Redondo. Weil das aber keine trockene Theorie bleiben darf, können regionale Weine von 17 bis 22 Uhr in der Probierstube verköstigt werden. In der Gegend fühlen sich aber auch Sportler wohl: Hier sind die Straßen gut ausgebaut, so dass vor allem Rennradfahrer zwischen den Weinbergen hindurch rasen.
Dabei kommen sie durch Orte, die nicht nur von Reben geprägt sind, sondern von weitaus schwereren Kostbarkeiten: Rund um Vila Viçosa, Borba und Estremoz wird in hundert Steinbrüchen im großen Stil Marmor abgebaut. Ein Händler reiht sich an den anderen, ganze Hügel sind aus gewaltigen Marmorblöcken in cremeweiß bis rosa aufgeschichtet. Die 110 Meter lange Fassade des Palastes in Vila Viçosa besteht komplett aus diesem Marmor.
Vor der Rückfahrt nach Lissabon lohnt sich noch eine Station in der Universitätsstadt Évora: Vor dem Aquädukt kostet das Parken nichts, entspannt schlendert man weiter in die gepflasterte Innenstadt - hier wurden Teile des römischen Aquädukts zu Häusern ausgebaut. Ebenfalls aus der Römerzeit stammt der Diana-Tempel, das historische Zentrum ist seit 1986 Unesco-Weltkulturerbe. Spätestens hier sollte man sich eine Spezialität des Alentejo gönnen: Schinken oder Wurst der porcos pretos. Die schwarzen Schweine suchen sich ihr Futter weitgehend selbst unter den Korkeichen, ihr Fleisch ist reich an Geschmack - und kostet entsprechend. Informationen zur Rundreise Empfehlenswert ist es, sich für jede Station einen Tag Zeit zu nehmen und auch einen Zeitpuffer einzuplanen, falls ein Ort zum mehrtägigen Verweilen einlädt. Acht Tage sind das Minimum, um einen Eindruck vom Leben in Südportugal zu bekommen. Im Herbst ist es unkompliziert, Übernachtungen vor Ort zu buchen; Zugang zum Internet gibt es in fast jedem Café.