Reiseziel Bayern:"Die Urlauber haben Sehnsucht nach Heimat"

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Bauern, Bier und Berge: Tourismus-Expertin Sybille Wiedenmann über das Bild Bayerns in der Welt.

Mike Szymanski

Seit zehn Jahren inszeniert die Bayern Tourismus Marketing Gesellschaft das Bild des Freistaats in der Welt. Neulich erst hatte Geschäftsführerin Sybille Wiedenmann, 43, versucht, ein Motiv zum Frankenwein auf dem Titel einer Feinschmecker-Zeitschrift zu platzieren. Aber die Chefs wollten Frauen im Dirndl zeigen, die Bierkrüge in den Händen hielten. Das ist ihr Bayern.

Nur die Bierkrüge fehlen - Werbung für Urlaub in Bayern aus den fünfziger Jahren. (Foto: Foto: Tourismusverband Ostbayern)

Die SZ sprach mit Wiedenmann über unverrückbare Ansichten, die Folgen der CSU-Krise für das Bayernbild und Befindlichkeiten in einer einst verwöhnten Branche.

SZ: Schöne Frauen im Dirndl, Maßkrüge, Berge und Kühe - wenn Sie Bayern inszenieren, lassen sie ja überhaupt kein Klischee aus.

Sybille Wiedenmann: Natürlich könnte das Bayernbild moderner sein, pfiffiger. Aber dann würden nicht unbedingt mehr Gäste kommen. Es geht nicht darum, Bayern neu zu erfinden. Das moderne, das professionelle Bayern-Bild, das vom kühlen Hightech-Land, das brauchen wir im Tourismusmarketing nicht. Die Gäste haben eine Sehnsucht nach Heimat. Wir vermitteln hier ein Heile-Welt-Bild.

SZ: Welche Vorstellung hat der Urlaubsgast von Bayern?

Wiedenmann: Das ist sehr unterschiedlich. Jeder hat eine Idee zu Bayern. Der eine sieht Berge und Kühe, der andere das Oktoberfest, und wieder andere denken an den FC Bayern oder Frankenwein. Mehr als die Hälfte der Urlauber kommen, um die Natur zu genießen. Alle sollen möglichst das Beste von Bayern bekommen, also werben wir nicht nur mit unseren Bergen, Seen und Wäldern - schöne Landschaften haben unsere Wettbewerber auch -, sondern setzen auf die bayerische Lebensart.

SZ: Das Bild des stolzen Bayerns hat aber mittlerweile Risse bekommen. Die Bauern sind alles andere als glücklich, viele geben ihre Höfe auf, weil sie davon nicht leben können. Dann das Landesbank-Debakel und die tiefe Krise der CSU. Taugt das alte Bayern-Bild überhaupt noch?

Wiedenmann: Wir zehren natürlich davon. Wir konnten viele Jahre sehr selbstbewusst auftreten. Es ist das Gesamtbild, das zählt.Wenn Bayern ein Jahrzehnt lang schwächelt, dann würde es sicherlich ein Stück weit das Heile-Welt-Bild verlieren. Aber davon gehe ich nicht aus. Ich habe eher den Eindruck, dass viele in der Republik denken, jetzt hat es die Bayern halt auch mal erwischt. Ich glaube aber nicht, dass irgendjemand davon seine Urlaubsentscheidung abhängig macht. Viel wichtiger finde ich, dass wir eine funktionierende Landwirtschaft haben. Ein massives Höfesterben würde uns große Probleme bereiten. Wir brauchen die Bauern, die die Landschaft pflegen und die Traditionen lebendig halten.

SZ: Und Schnee? Wir haben schon Winter erlebt, in denen die Touristen T-Shirt tragen konnten, so warm war es.

Sybille Wiedenmann: Seit zehn Jahren inszeniert sie das Bild des Freistaats in der Welt. (Foto: Foto: oh)

Wiedenmann: Unsere Urlaubsgäste erwarten Schnee. Der gehört zu dem Bayern, für das wir werben, dazu. Wir können aber die Augen vor dem Klimawandel nicht verschließen. Wir werden Winter mit viel und Winter mit ganz wenig Schnee haben. Darauf müssen wir uns einstellen. Die Tourismusgemeinden müssen Alternativen bieten, und manche sind sehr weit dabei. Es darf nicht sein, dass der Gast in seiner Ferienwohnung sitzt und sich fragt, was tue ich jetzt, wenn Schnee fehlt.

SZ: Bekannten Tourismusorten wie Garmisch oder Oberstdorf steht finanziell das Wasser jetzt schon bis zum Hals. Die haben schon Mühe, ihre Straßen in Schuss zu halten. Wie sollen sie da noch in Schwimmbäder und Eislaufhallen investieren?

Wiedenmann: Die finanziellen Schwierigkeiten sehe ich auch. Wir haben nicht die Mittel, um alles neu zu machen. Aber die touristische Infrastruktur muss eine gewisse Basisqualität haben, und wir müssen dafür sorgen, dass sie gut ausgelastet ist. Dann kommt wieder Geld in die Kasse. Insgesamt gilt: Höher, schneller, weiter ist nicht mehr das Ziel. Wir brauchen nicht unbedingt Wellness-Tempel mit 5000 Quadratmetern Fläche. Manchmal tut es auch ein schöner Bachlauf, an dem man etwas erleben kann. Die Zeit des Gigantismus ist vorbei.

SZ: Die Hotels und Pensionen schieben gewaltige Investitionen vor sich her, mitunter sehen die Zimmer noch aus wie in den siebziger Jahren. Und den besseren Kaffee trinken die Urlauber oft schon bei sich zu Hause, weil sie sich schöne Kaffeemaschinen geleistet haben.

Wiedenmann: Wir befinden uns aktuell in einer Phase des Umbruchs. Es ist im Bewusstsein der Branche angekommen: Wir müssen etwas tun. In der Vergangenheit waren viele Betriebe nicht in der Lage, große Summen zu investieren. Jetzt verbessert sich die Situation durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen. Wir beobachten aber auch, dass es Tourismusbetriebe schwer haben, Geld bei den Banken zu bekommen. Hier wünsche ich mir eine noch stärkere Unterstützung für die bayerischen Hotels und Pensionen.

SZ: Ist die Branche nicht einfach auch sehr verwöhnt gewesen und hat deshalb in den vergangenen Jahren nicht viel investiert?

Wiedenmann: Wahrscheinlich fließen viele Faktoren zusammen. Unser bodenständiger Charakter in Bayern - eine unserer Stärken - ist andererseits nicht unbedingt ein Motor, immer progressiv nach vorne zu gehen. Wir müssen unsere Partner im Tourismus aber an neue Konzepte heranführen. Wir brauchen ein Stück mehr Neuzeit, ganz sicher. Die, die in der Vergangenheit hängenbleiben, bekommen ein Problem.

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SZ: Im Bayerischen Wald hat ein Bier- und Wohlfühlhotel aufgemacht. Ausdruck einer Sinnkrise im Tourismus oder gute Idee?

Wiedenmann: Guter Ansatz. Das ist doch eine deutliche Positionierung. Der Gast muss aus dem Urlaub heimkommen, und er muss Geschichten erzählen können. Hör zu, ich habe da was erlebt... Dann ist es ein gutes Angebot.

SZ: Hat der Bayern-Tourismus seine besten Zeiten hinter sich?

Wiedenmann: Überhaupt nicht. Die internationalen Märkte wachsen noch stark. Bei den ausländischen Touristen haben wir Zuwächse von 33 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Nehmen wir China oder Indien zum Beispiel. Die Menschen dort fangen erst an zu reisen. Oder die Russen. Deren Anteil am Tourismus in Bayern hat sich verdreifacht - auch wenn wir hier noch von kleinen Zahlen sprechen, haben die Russen die Japaner schon überholt. Die Menschen wollen die Welt sehen. Im Inland ist kein sprunghaftes Wachstum zu erwarten. Aber der demographische Wandel spricht für uns. Wenn die Menschen älter werden, bevorzugen sie Urlaubsorte in der Nähe. Da sind große Potentiale. Wir haben noch viel Arbeit.

SZ: Ihre Gesellschaft hat ein Gesamtbudget von etwa zehn Millionen Euro für Marketing. Trotzdem drucken noch viele Ferienorte ihre eigenen Prospekte. Wird da nicht viel Geld verpulvert?

Wiedenmann: Je stärker wir es schaffen, die Mittel zu bündeln, desto besser. Die Marketing-Budgets der Gemeinden und Gebiete liegen zwischen 50. 000 und einer Millionen Euro. Das ist viel Geld. Wir müssen stärker schauen: Wer macht was mit welcher Aufgabenstellung? Meiner Meinung nach brauchen wir weniger, aber dafür stärkere Strukturen. Wir werben dafür: Gemeinsam sind wir stark, es hat sich auch schon einiges getan. Das Marketing ist professioneller geworden. Gemeinden schließen sich zusammen, zum Beispiel am Tegernsee oder in den Ammergauer Alpen. Für die ganz große Nummer müssen wir aber noch einen Schritt weiter gehen.

SZ: Heißt das, Sie brauchen noch mehr Geld?

Wiedemann: Wir brauchen mehr Geld im Tourismusmarketing. Unsere Wettbewerber im Ausland haben wesentlich höhere Budgets. Südtirol und Tirol bekommen je zwölf Millionen Euro aus Landesmitteln. Bei uns sind es etwa fünf Millionen Euro. Dabei gehört der Tourismus zu den Säulen der bayerischen Wirtschaft und sichert das Einkommen von mehr als 560.000 Menschen.

SZ: Lässt sich der Erfolg ihrer Arbeit belegen?

Wiedenmann: Wir haben viel angeschoben. Die Dachmarke Bayern ist etabliert und mit Inhalt aufgeladen. Schön sein allein reicht nicht mehr. Wir vermarkten etwa den Familienurlaub unter der Marke Kinderland Bayern, bieten Kulturinteressierten spezielle Reisen und haben unter dem Titel Wellvital Wohlfühl- und Gesundheitsangebote geschaffen. Und das Wichtigste: Die Konzepte werden nach und nach übernommen. Wir haben Erfolg. Die Zahl der Gästeankünfte steigt.

SZ: Aber bei den Übernachtungen stagniert die Zahl.

Wiedenmann: Wir können nur beeinflussen, dass Gäste kommen. Wie lange sie bleiben, das liegt nicht in unserer Hand.

© SZ vom 22.1.2010/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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