Reiseportale nutzen Airline-Daten:Service wider Willen

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Ryanair-Maschine am Flughafen Blankensee in Lübeck: Vor dem Bundesgerichtshof hat der irische Billigflieger nun verloren. (Foto: Markus Scholz/dpa)

Mit dem sogenannten "Screen Scraping" greifen Reiseportale Daten von Fluggesellschaften ab und nutzen sie für ihr Angebot. Airlines wie Ryanair sehen darin Wettbewerbsverzerrung. Aber der Bundesgerichtshof sieht die Methode als zulässig.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer sich im Schnäppchendschungel der Billigflüge zurechtfinden will, kommt ohne Vergleichsportale kaum noch aus. Von außen betrachtet ist deren Arbeitsweise im Großen und Ganzen immer dieselbe: Der Kunde gibt Reiseziel und Datum in eine Suchmaske ein, und das Portal listet die günstigsten Flugangebote auf, die im Netz zu finden sind.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun ein einigermaßen ungewöhnliches Geschäftsmodell auf dem Suchmaschinenmarkt gebilligt: Den Reiseportalen ist es erlaubt, die Daten von Fluggesellschaften auch gegen deren Willen von der Homepage auszulesen und für ihr Angebot zu nutzen. (Az: I ZR 224/12)

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Gegen diese Methode, die im Internetjargon "Screen Scraping" heißt, hat der Billiganbieter Ryanair geklagt, der sich den Datenklau in seinen Geschäftsbedingungen verbeten hat. Das Unternehmen wollte dem Portal CheapTickets.de untersagen lassen, mithilfe automatisierter Software - die sogar ein Häkchen unter die Geschäftsbedingungen setzt - Ryanair-Flüge an Kunden zu vermitteln und durch eine Vermittlungsgebühr daran zu verdienen. Denn Ryanair setzt auf Direktvertrieb, den das Unternehmen seinerseits mit Zusatzleistungen wie Hotelbuchungen oder Mietwagenreservierungen koppelt.

Der BGH-Wettbewerbssenat dagegen hat das Screen Scraping nun ausdrücklich gebilligt, weil solche Vergleichsportale aus seiner Sicht im Sinne der potenziellen Kunden sind: "Das System ist für die Verbraucher vorteilhaft, sie haben damit die Möglichkeit eines Preisvergleichs", sagte der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher am Mittwoch bei der Urteilsverkündung. Allein der Umstand, dass sich CheapTickets über den Willen von Ryanair hinwegsetze, führe noch nicht zu einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Fluggesellschaft. Der BGH verwies das Verfahren an das Oberlandesgericht Hamburg zurück, das den Fall nun abschließend prüfen muss.

Allerdings dürfte das Screen-Scraping-Modell eher die Ausnahme bei den Reiseportalen sein. Nach Einschätzung des Rechtsanwalts Jens Matthes von der Kanzlei Allen & Overy setzen Vergleichsportale normalerweise auf eine Kooperation mit den Anbietern, die dann selbst Vermittlungsgebühren für die Kundensuche zahlen. Dadurch sei es den Portalen möglich, die Schnäppchen ihrer Partner wirkungsvoll auf ihren Websites zu präsentieren. Beim Screen Scraping müsse der Kunde dagegen damit rechnen, dass der Vermittler nicht den Originalpreis zeige, sondern seine Gebühr bereits draufgeschlagen habe.

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Möglicherweise könnte Ryanair sich aber doch noch gegen unerwünschte "Screen Scraper" zur Wehr setzen, meint Matthes - und zwar durch einen technischen Schutzwall. Dessen Umgehung wäre dann wohl rechtswidrig. Falls Ryanair dies überhaupt will, denn unter dem Strich dürften die Suchportale dem Unternehmen ja auch zusätzliche Kunden bescheren. Ryanair wollte sich nicht zu dem Urteil äußern.

Bleibt allerdings noch die generelle Frage nach der Seriosität der Reiseportale. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen berichtet beispielsweise von wiederkehrenden Beschwerden über das Portal fluege.de. Das Landgericht Leipzig hat dessen Betreiber im vergangenen Jahr untersagt, mit zu niedrigen Flugpreisen zu werben und kostenpflichtige Zusatzleistungen per Voreinstellung anzubieten. Aber auch hier bietet der Schritt auf die nächste Ebene womöglich einen Ausweg: Das Reisemagazin Clever reisen! wartete im vergangenen Jahr mit einem Test auf - mit einem Qualitätsvergleich der Preisvergleichsportale.

© SZ vom 02.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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