Reisebuch "Istrien und Kroatien":Die beste Küche der Adria

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In Istrien gibt es noch viele Lebensmittelmärkte. (Foto: Georges Desrues)

Wer gutes Essen schätzt, wird in Istrien auf vielfältige Weise fündig: Georges Desrues nähert sich der Halbinsel zu Recht über deren Kulinarik an.

Rezension von Stefan Fischer

Der Tipp kommt etwas spät, jetzt, da der Frühling beginnt: Gleich mehrfach empfiehlt Georges Desrues, Istrien auch im Winter zu besuchen. Weil die Halbinsel dann nicht überlaufen sei und ihre ganz eigenen Reize entfalte. Aber wenn es nach dem Autor des Buches "Istrien und Rijeka für Fortgeschrittene" geht, dann ist es mit einem Besuch ohnehin nicht getan. Wer sich wie er einnehmen lässt von Istrien, und das ist ein Leichtes, der kommt immer wieder. Und zu jeder Jahreszeit.

Nun muss man selbst noch nicht in Istrien gewesen sein, um diesem Reisebuch vieles abgewinnen zu können. Desrues setzt wenig voraus und nähert sich der Halbinsel behutsam an, indem er vor allem erst einmal ein paar Schritte zurücktritt. In Istrien spiegelt sich die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts wie in nur wenigen anderen Landstrichen. Kroatien, Slowenien und Italien grenzen hier heute aneinander. Aber es hat eine ganze Reihe anderer Staaten gegeben, denen Istrien beziehungsweise Teile davon sowie die angrenzenden Städte Rijeka und Triest in den vergangenen 120 Jahren angehört haben.

Istrien ist geprägt von den Dynamiken eines Mit- und gleichzeitigen Gegeneinanders der Nationen und Ethnien. Ein neues Kapitel der istrischen Geschichte wurde aufgeschlagen durch den Zusammenbruch des Kommunismus und das gewaltsame Auseinanderfallen Jugoslawiens. Der vorläufige Höhepunkt der seither erfreulichen Entwicklung ist die Aufnahme Kroatiens in den Schengenraum zum Jahresbeginn und die gleichzeitige Einführung des Euro. Damit sei die letzte Staatsgrenze gefallen, die sich noch durch Istrien gezogen habe, schreibt Georges Desrues etwas pathetisch. Faktisch ist das natürlich nicht richtig, die Staatsgrenzen zwischen Kroatien und Slowenien sowie Slowenien und Italien existieren weiterhin. Nur sind sie im Alltag kaum noch wahrnehmbar und machen fortan vieles einfacher in Istrien.

Fischer in der Kvarner Bucht. (Foto: Georges Desrues)

Diese jüngere Vergangenheit sollte man im Hinterkopf haben, um zu verstehen, dass viele Entwicklungen auf der Halbinsel erst in den Anfängen stecken. Das gilt auch für den Tourismus und die beachtliche und dabei dynamischen Veränderungsprozessen unterworfene Kulinarik. Sehr gut lässt sich das am Weinbau ablesen. Der hat in Istrien eine lange Tradition, auf die man sich jetzt teilweise wieder beruft. In Jugoslawien durften Winzer einen Teil ihrer Ernte behalten, mussten also nicht alle Trauben in den Kooperativen abgeben. Diese eigenen Weine durften sie allerdings nicht auf Flaschen ziehen und verkaufen, sie waren für den Eigenbedarf bestimmt oder - in größeren Gebinden - für die lokale Gastronomie.

Auf diese Weise haben sich alte Verfahren des Vinifizierens erhalten, auf die jetzt wieder zurückgegriffen wird bei der Herstellung von Naturweinen, für die Istrien inzwischen sehr bekannt ist. Erst einmal haben die Winzer allerdings einen Umweg genommen, haben die heimische Malvasia-Traube so ausgebaut, dass die Weine mit intensiven Aromen tropischer Früchte an die Sauvignon Blancs aus der Südsteiermark erinnert haben.

Inzwischen erkennen jedoch immer mehr Winzer, dass sie ihren eigenen Weg gehen müssen, um mit ihren Produkten nicht austauschbar zu werden. Und dieser individuelle Stil sei in der Traube selbst angelegt: "Echter Malvasier riecht und schmeckt nun einmal nicht nach tropischen Früchten und Holunderblüten, sondern viel mehr nach Gräsern, Kräutern und weit dezenter auch nach Zitrusfrüchten. Überhaupt sprechen wir viel mehr von einer mineralischen und nicht von einer aromatischen Sorte", sagt der Winzer Denis Bernobić, den Georges Desrues besucht.

Olivenernte in Istrien. (Foto: Georges Desrues)

Ähnliche eigene Wege gehen die Produzenten auch beim Olivenöl. Hier gibt es als Ergebnis einer Integrationsbemühung eine gemeinsame geschützte Ursprungsbezeichnung, die sich Kroatien und Slowenien teilen: Istra DOP. Nur Italien hat weiterhin seine eigene, Tergeste DOP. Dort hat hochwertiges Olivenöl auch fortwährend eine Rolle gespielt, anders als in Jugoslawien. Erst eine Förderung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat die Produktion im heutigen Kroatien und Slowenien wiederbelebt. Längst ist das Olivenöl ein Anreiz für den Tourismus und überdies ein Mittel gegen die Landflucht.

Kulinarik und Tourismus sind es schließlich auch, die Georges Desrues in seinem Buch zusammenführt. Es geht neben Wein und Öl auch um luftgetrocknete Schinken und Craft-Biere, um Trüffeln, Fische und Meeresfrüchte, um Restaurantbesuche. Späterhin unternimmt der Autor noch zwei Stadtbummel, durch Pula und Rijeka. Aber spannender ist es, wenn Desrues sich den Lebens- und Genussmitteln zuwendet.

Georges Desrues : Istrien und Rijeka für Fortgeschrittene. Styria Verlag, Wien/Graz 2023. 192 Seiten, 29 Euro.

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