Projekt "Good Hotel":"Lebensläufe sind egal"

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Marten Dresen bildet in seinem "Good Hotel" Langzeitarbeitslose aus - und lässt sie ziehen, wenn sie richtig gut sind.

Von Anne Backhaus

Gutes tun kommt nicht immer gut rüber. Sozialen Projekten haftet ja oft so ein viel zu warmer Geruch an. Es duftet dann nach handgestrickten Wollsocken an Gutmenschenfüßen. Oder es riecht nach Schmu, zum Beispiel, wenn Großkonzerne mit einer Spendenaktion für ihr Produkt werben und wir unser Kauf-Gewissen damit beruhigen, gleichzeitig irgendwem in Not zu helfen.

Als Marten Dresen 2012 das Konzept für sein neues Hotel vorstellte, als er jahrelang um Unterstützung und Finanzierung kämpfte, war genau das sein Problem. Dem Niederländer glaubte kaum jemand, dass man Gutes tun und dabei auch ein gutes Geschäft machen kann. Und schon gar nicht, dass er mit seinem Geschäft wirklich Gutes tun möchte. "Ich wurde schlicht für verrückt gehalten", sagt Dresen, der inzwischen ein Geschäftsmann ist, obwohl er das nie sein wollte. Sogar jetzt, wo sein "Good Hotel" nach nur einem Jahr profitabel ist und er weltweit weitere Häuser eröffnet, muss er sich immer und immer wieder erklären - Regierungen wie Investoren, Ämtern und anderen Hotels.

"Wir spielen ja nicht Hotel, wir haben zahlende Gäste"

Dabei hatte Dresen, 33, eine Idee, die so simpel wie sinnvoll ist: ein Hotel, in dem Langzeitarbeitslose ausgebildet und dann wieder ins Arbeitsleben integriert werden. Nach einigen Wochen Training geht der Job als Kellner, Zimmermädchen oder Concierge los. Integriert in ein hotelerfahrenes Team, für maximal zehn Monate. Nach der Ausbildung soll das Personal an Partner-Hotels vermittelt werden. Alles, was an Profit abfällt, fließt in das Projekt zurück.

In Amsterdam ist Dresen damit sehr erfolgreich gewesen. Im Juni vergangenen Jahres eröffnete er in der niederländischen Hauptstadt das "Good Hotel". Eine 148-Zimmer-Herberge, untergebracht in einem ehemaligen Gefängnisboot für illegale Einwanderer, das er der Stadt günstig abkaufen konnte. Von außen sieht es aus wie ein schwimmender Betonblock, von innen ist es ein Design-Hotel. Purer Industrie-Style. Vor schwarzen Wänden stehen helle Möbel, größtenteils niederländische Einrichtungsklassiker von Lensvelt oder Moooi. Auch das Bier an der Bar stammt von einer benachbarten Brauerei aus Amsterdam. "Für mich widersprechen sich soziale Unternehmensausrichtung und luxuriöse Einrichtung nicht", sagt Dresen. "Wir spielen ja nicht Hotel. Wir haben zahlende Gäste, die sich bei uns wohlfühlen sollen." Und dass er Wert auf lokale und handgefertigte Produkte legt, entspricht natürlich ganz dem Zeitgeist.

Sein Personal setzt sich zusammen aus Arbeitslosen ohne Schulabschluss oder mit kleinkrimineller Vergangenheit, Alleinerziehenden, die wieder in einen Job einsteigen wollen, wie auch ehemaligen Angestellten, deren Betrieb pleiteging. "Alle, die eine zweite Chance brauchen", sagt Dresen, der selbst zuvor als Jurist arbeitete. "Lebensläufe sind egal, für mich ist Persönlichkeit entscheidend. Sind Menschen motiviert, werden sie gut im Job sein."

Bei Marlo DeObia Amparo ist dieses Prinzip voll aufgegangen. Als die Niederländerin im Good Hotel anfing, war das eine Chance, die ihr niemand sonst gegeben hat. Amparo, 38, hat die letzten Jahre damit zugebracht, einen Job zu suchen und sich immer schlechter zu fühlen, weil sie keinen fand. Davor war sie sieben Jahre Altenpflegerin. "Ich brauchte dringend jemanden, der an mich glaubt", sagt sie.

"Wer weiß, wo ich in fünf Jahren bin"

Wichtigster Punkt im Hotelkonzept: das Selbstbewusstsein der Angestellten stärken. "Ihre Reise hilft unseren Leuten auf ihrer Reise", steht dazu auf der Homepage. All das klingt vielleicht nach etwas viel gutem Willen - doch es funktioniert. Bislang wurden 70 Langzeitarbeitslose ausgebildet und auf dem Arbeitsmarkt reintegriert.

Punkt zwei: Das Personal geht, wenn es richtig gut ist. "Andere Unternehmer machen sich lustig, dass ich meine Leute, sobald sie profitabel sind, weitervermittle", sagt Dresen. "Das ist aber nur altes Denken. Diese Menschen sind profitabel für die Gesellschaft, sie sollen ihre Motivation in die Welt tragen und Platz für andere machen, die das dann auch irgendwann können." Amparo arbeitet seit drei Wochen an der Rezeption eines luxuriösen Boutique Hotels in Amsterdam. Ihr Leben hat sich sehr schnell verändert. "Vor einem Jahr dachte ich, das bleibt jetzt bei Sozialhilfe. Nun habe ich sogar zum ersten Mal Aufstiegsmöglichkeiten. Wer weiß, wo ich in fünf Jahren bin."

Das Good Hotel hatte Dresen als einjähriges Projekt geplant. Nun machen er und sein Team doch weiter. Im August eröffnet ein neues Hotel in Guatemala. Dort, in Antigua, startete Dresen bereits vor zehn Jahren sein erstes Hilfsprojekt in einer Schule. Untergebracht in einem kolonialen Anwesen, soll das Hotel "das modernste und am schönsten designte" des Landes werden. Für das kommende Jahr plant Dresen weitere Herbergen in Amsterdam, New York und Barcelona. Bis 2020 will er insgesamt zehn soziale Hotels betreiben.

Das schwimmende Good Hotel zieht unterdessen von Amsterdam für fünf Jahre nach London und feiert im Oktober an den Newham Royal Docks Eröffnung. Vorher bekommt es noch ein neues, bepflanztes Dach, das als Park für Gäste und die Öffentlichkeit zugänglich ist und so auch Hemmschwellen abbauen soll. Denn Hilfsprojekte werden zwar gerne gelobt, doch direkt daneben leben wollen viele nicht. Einige Anwohner haben sich bereits beschwert. "Weil das Hotel ein soziales Projekt ist, denken viele sofort, es sei eine schlechte Unterkunft und nur Kriminelle würden darin herumlaufen", sagt Dresen. Er muss sicher auch in Zukunft noch viel erklären.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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