Neulich in ... Tiers:Schleudern auf der Essig-Öl-Spur

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Selbst Teufelskerle auf zwei Rädern werden plötzlich ganz weich, wenn sie den Mund aufmachen und zur Nahrungsaufnahme schreiten - eine Motorrad-Gruppe aus Franken, belauscht in Südtirol.

Stefan Fischer

Draußen bricht die Hölle los. Aber die fünf Motorradfahrer haben es gerade noch rechtzeitig ins Paradies geschafft. Von dort blicken sie, wie die übrigen hier selig Aufgenommenen auch, hinaus auf eine Regenwand, kaum weniger gewaltig als diejenige, die einst die Sintflut herbeigeführt hat. In dieser Abendstunde geht niemand vor die Tür des Paradieses. Nicht, um nicht nass zu werden. Sondern um nicht zu ertrinken.

Motorradfahrer stehen ja nach wie vor im Ruf, Teufelskerle zu sein. Höllenengel nennen sich bekanntlich die Mitglieder der berüchtigtsten Bikerbande. Dass aber diese fünf Kerle mit der Hölle gerade partout nichts zu schaffen haben wollen, ist nur zu verständlich. Sogar dem Beelzebub, wäre er in der Gegend, würde dieses Unwetter gewiss auf Gemüt und Gesundheit schlagen. Und selbst er würde Einlass begehren ins Paradies. So heißen ein Hotel sowie das zugehörige Restaurant in Tiers, Südtirol. Von hier führen Passstraßen in viele Richtungen - hinüber nach Kastelruth und Seis, hinauf an den Fuß des Rosengartens. Tagsüber war das Wetter traumhaft gewesen; die fünf Männer, rechtzeitig zurück in der paradiesischen Geborgenheit, sind ganz enthusiasmiert von ihrer vorgeblich rasanten Fahrt.

So sehr sie jedoch schwärmen: Der Eindruck einer wilden, gar teuflischen Jagd über steile Kuppen und durch schmale Kurven will sich bei den unfreiwilligen Zuhörern an den Nachbartischen kaum einstellen. Das liegt schon am Dialekt der fünf Männer: Sie stammen unüberhörbar aus Franken, ihre "hadde Seidde" bleibt also zwangsläufig recht weich. Denn ein Überholmanöver verliert nun einmal jegliche Anmutung von Eleganz oder gar Waghalsigkeit, wenn ein Biker prahlt, wie er sich so eben noch "vor damm einschburigen Brüggla" an einem Reisebus vorbeizwängen konnte.

Erschöpft vom vermeintlichen Teufelsritt, tritt der Maulheld alsbald ans Salatbuffet - und will von seinen Kumpels Rat, welches Dressing denn das beste sei. Siehe da: Ein Motorradfahrer weiß sich im Garten Eden nicht dann, wenn das Schnitzel beidseits über den Teller hängt, sondern wenn er die Wahl hat zwischen Joghurt und Essig-Öl.

Sein Weißbier wünscht er übrigens handwarm - und lässt es prompt als zu kühl zurückgehen. Das also ist aus den Easy-Rider-Phantasien von einst geworden: Motorradfahrer sind inzwischen die Entenfütterer unter den Verkehrsteilnehmern.

© SZ vom 29.9.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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