Mitten in Absurdistan:Von jetzt an mit Rennradlenker

Berliner Fahrradhändler wissen um den Wert eines Regenbogens - und verlangen schnell den doppelten Preis für ein Rad. Leibhaftige Bisons in North Dakota hätte man lieber nicht für simple Rindviecher gehalten. Und die Münchner Barszene schafft eines Nachts mal eben den Adel ab.

SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

28 Bilder

questlove

Quelle: SZ

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Berliner Fahrradhändler wissen um den Wert eines Regenbogens - und verlangen schnell den doppelten Preis für ein Rad. Leibhaftige Bisons in North Dakota hätte man lieber nicht für simple Rindviecher gehalten. Und die Münchner Barszene schafft eines Nachts mal eben den Adel ab. SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

Mitten in ... New York

Warum nicht mal zu einer Restauranteröffnung beim Times Square gehen? Da kriegst du kostenlos, wofür andere Eintritt in den Zirkus bezahlen. Sie haben da Schlangenmenschen, die sich sehr gut verbiegen können, sie haben auch echte Schlangen, die mit halbnackten Dompteurinnen tanzen. Es gibt drei Meter hohe Drag Queens, es gibt Clowns, die ihre sogenannten Possen reißen, und es gibt einen DJ, der aussieht wie Questlove von der Band The Roots, den man aus der Show von Jimmy Fallon kennt. Beim näheren Hinsehen ist es tatsächlich Questlove. Und wenn man noch genauer hinsieht, legt er gar keine Platten auf, sondern er tippt hinter dem Plattenspieler SMS. Das tut er aber so rhythmisch und in die Musik versunken, dass es dem Mann, der ihn engagiert hat, sicher nicht auffällt. Das Essen? Wen interessiert da das Essen?

Peter Richter, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: Imago Stock&People

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Mitten in ... Berlin

Vor sechs Wochen begann ich den Sommer mit einem für mich neuen, aber ansonsten ziemlich alten Fahrrad. Ich habe es gekauft, weil es einen kleinen Regenbogen auf der Mittelstange hat und den überraschend bescheuerten Namen "Dixi SM" trägt. Ich ahnte, dass das eher dumme Kriterien waren. Wie dumm, verstand ich erst, als nach einer Woche der Dynamo abfiel. Kaum war der repariert, brach die linke Vorderbremse ab. Ob es damit zu tun hatte, dass danach der Dynamo neuerlich kollabierte? Leicht erzürnt brachte ich "Dixi SM" zurück zum Laden. "Willst du dein Geld wieder?", fragte der Fahrradhändler. Ja, das wollte ich. "Geil. Ich hab mich eh geärgert, dass ich dir das so billig verkauft hab. Ich mach da jetzt nen Rennradlenker dran und verkauf's fürs Doppelte." Fahrradhändler wissen um den Wert eines Regenbogens.

Nadia Pantel, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Medora

Kühe hat man schon viele aus nächster Nähe gesehen, Bisons bis zu diesem Tag im Theodore Roosevelt National Park bei Medora, North Dakota, noch nicht. Die schwarzbraunen Giganten sind genau so beeindruckend, wie man sich das vorgestellt hat, wenn sie in einem Western über die Prärie zogen - nur um kurz darauf niedergemetzelt zu werden. Hier widerfährt ihnen kein Leid, auch wenn die Herde die Straße blockiert. Also sofort raus aus dem Auto und hingehen. Sind doch bloß friedliche Rindviecher! Komisch nur, dass so ein metallisches Knurren in der Luft liegt. Zehn Meter sind Abstand genug, oder? Ach, ruhig noch ein bisschen näher. Kann man die streicheln? Da schreit ein Ranger: "Are you nuts? Zurück in den Wagen!" Da werden die Bisons nervös. Und das Knurren richtig laut. So schnell ist man lange nicht mehr ins Auto gekrabbelt.

Harald Hordych, SZ vom 26./27. Juli 2014

Otto von Bismarck, 1889 Foto: Scherl /SZ-Photo

Quelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

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Mitten in ... München

Eine sehr gute Bar gegen 22.30 Uhr. Es ist einer der drei Tage im Jahr, an denen sich nachts noch die Hitze staut. Vor der Bar auf der Terrasse ein paar Hundert Menschen in friedlicher, entspannter Stimmung. "Ich!", dröhnt es plötzlich aus der Brust eines Mannes, der mit einem 100-Euro-Schein wedelt. "Ich! Bin! Ein! Von! Bismarck!" Die Menge staunt, die ersten lachen. "Und ich dachte, der Adel sei abgeschafft", flüstert ein Mädchen. "In meiner Anwesenheit spricht man nicht, haben Sie das verstanden?", schreit der Mann. Der Barkeeper, einer der allerbesten in München, blickt ungerührt auf. "Hau ab", sagt er zum Ober-Bismarck, "für dich ist hier kein Platz." Der Mann platzt fast: "Unverschämtheit! Und das mir! Ich! Bin!" Dann trollt er sich. Ehe das Geplauder wieder einsetzt, sagt einer in die Stille: "Jetzt ist der Adel abgeschafft."

Johannes Boie, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: Thierry Zoccolan/AFP

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Mitten in ... Aubrac

Das Hochland des Aubrac in Frankreich ist einer der einsamsten Flecken Europas. Hier leben viele Rinder und fast keine Menschen, "noch weniger als in Brandenburg", lehrt der Reiseführer. Herrlich, denkt der Gast, während er durch die Natur flaniert, den Kälbern zuschaut und sich auf das berühmte Aubrac-Steak am Abend freut. In der Herberge sitzen später zwei Wanderer mit am Tisch. Man kommt ins Gespräch, es sind Deutsche, ein Paar aus Mecklenburg. Schön, sagt man, da sei man mal auf einer Hochzeit gewesen. Nett, sagt die Frau, sie sei auch Pastorin. Interessant, erwidert man, die Hochzeit habe ebenfalls eine Pastorin gehalten - die Tante des Bräutigams. "Was?!" Die Frau fällt fast vom Stuhl. Stellt sich raus: Es ist dieselbe Person. Die Pfarrerin von der Hochzeit sitzt hier am Tisch. Mon Dieu. Beziehungsweise: Grüß Gott, Pastorin Siegert!

Marc Felix Serrao, SZ vom 19./20. Juli 2014

Fußballtrikot der Nationalmannschaft mit viertem Stern

Quelle: Wolfgang Kumm/dpa

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Mitten in ... München

Neuerdings leben wir ja im Vier-Sterne-Land, deshalb will die vierjährige Tochter unbedingt Vier-Sterne-Menschen sehen, diese Typen mit Siegertrikot und verklärtem Blick. Am besten gleich auf dem Weg zum Kindergarten, der über die Säbener Straße führt. Wo sind sie, die Schlandbewohner, die in der Nacht zuvor durchs Viertel tobten? Offenbar noch im Bett oder zu berauscht, um der Realität standzuhalten. Vor der Zentrale des FC Bayern mit den ikonischen Fotos von Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer steht nur ein grantelnder Vereinswächter im weißen Shirt. "Da, Papa, der hat vier Sterne, der hat die WM gewonnen", ruft die Tochter. "Schmarrn", brummt der Mann, "mir san Bayern, da gelten andere Gesetze: 24 Titel, macht vier Sterne, ist doch logisch, das weiß jedes Kind." Jetzt ist sie doch ein wenig irritiert, die Vierjährige.

Christian Mayer, SZ vom 19./20. Juli 2014

Gauchos

Quelle: Rekos/dpa

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Mitten in ... Buenos Aires

An dieser Stelle ein sportlicher Gruß aus dem Land der gebückten Gauchos an die aufrechten Teutonen. Keine Panik, es ist fast alles in Ordnung. Argentinien geht wieder gerade, trauert nur den Chancen von Higuaín, Messi und Palacio nach. "Goles son como amores", Tore sind wie die Liebe, man muss sie machen. Sagt mein Friseur. "Das Foul von Neuer war Elfmeter", sagt mein Hausmeister. "Hast du den Pokal dabei?", fragt mein Freund Alberto - leider nein. All das kriegt man dieser Tage in Buenos Aires zu hören. Aber besonders seltsam finden die Argentinier einen uruguayischen Moderator, der die deutschen Spieler wegen ihrer Gaucho-Nummer "ekelhafte Nazis" nannte. Also, Deutsche dürfen weiterhin gerne zum Tangokurs einfliegen und sich sogar den richtigen Gaucho-Tanz ansehen. Denn manchmal tanzen Gauchos tatsächlich.

Peter Burghardt, SZ vom 19./20. Juli 2014

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Paris

Kürzlich ist am Pont des Arts ein Brückengeländer umgekracht. Unter der Last von Zehntausenden von Liebesschlössern zusammengebrochen. Alles nicht ganz so schlimm wie 1918, als eine Fliegerbombe den Pont beschädigte. Auch nicht vergleichbar mit 1979, als ein Lastkahn die Brücke rammte. Aber, wer weiß, nächstes Mal fallen einem diese irren Liebesschlösser vielleicht bei der Seine-Rundfahrt aufs Oberdeck. Na, da wär' was los. Nach dem Einsturz krachte es dann auch in der Presse: Die Schlösser gehörten endlich abgenommen, hieß es. Ihr Verkauf verboten, die Händler vom Pont des Arts bestraft. Heute wirkt die Brücke luftiger. Und die Händler? Sie stehen nur ein paar Meter weiter, auf der Passerelle Léopold-Sédar-Senghor. Dort gibt's die Schlösser jetzt zum Sonderpreis. Das Problem: Jetzt ist auch hier kaum noch ein Platz frei.

Martin Zips, SZ vom 19./20. Juli 2014

Kloschüssel

Quelle: dpa

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Mitten in ... Kunming

Von allen Chinaabenteuern war früher die öffentliche Notdurft nicht das geringste. Heute gibt es öffentliche Klos, die sich als Pandabär verkleiden, manche locken mit Flachbildschirmen im Foyer. Die Ausnahme, zugegeben. Nicht geändert hat sich: Es wird weiter vornehmlich gehockt, nicht gesessen. Und die Brüstungsmauern um die Löcher sind noch immer so niedrig, dass sie das Gemeinschaftserlebnis nicht beeinträchtigen. Eines aber ist anders: Früher lasen viele Zeitung überm Abort, heute starren sie auf Smartphones. Damit allerdings lädt man Zaungäste geradezu ein. Gestern in Kunming auf der Busbahnhoftoilette: Einer in der Hocke spielt Autorennen, ein anderer spaziert vorüber, bleibt fasziniert hängen. "Jetzt!", ruft er. "Links!" Zu spät: Gecrasht. Der in der Hocke blickt auf: "Aber gar nicht schlecht, oder?" Neue Runde.

Kai Strittmatter, SZ vom 12./13. Juli 2014

Berghütte

Quelle: dpa

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Mitten in ... Geitau

Auf der Alm, da gibt's koa Sünd, lautet eine Weisheit. Die Geitauer Alm liegt in den bayerischen Voralpen auf 1330 Metern Höhe unter der schon hochgebirgig wirkenden Aiplspitz. Es gehen nicht viele Wanderer diesen Weg, und der Senner der ansässigen Käserei freut sich über ein Gespräch in der Einsamkeit. Gleich muss er wieder in den Hang, Latschenkiefern schneiden und verbrennen, damit das Gras für die Kühe Platz zum Wachsen hat. Ein archaisches Leben. Auf dem Tisch liegt ein großes Fernglas, mit dem er immer wieder nach dem Rechten sieht. Ob er so nach den Kühen schaue, dass keine verloren gehe? Nein, sagt der Senner. Kühe gehen nicht so leicht verloren. Die Bäuerin sei unten im Tal, und ihr Auto stehe da immer noch an der Scheune. Eigentlich wollte sie langsam zurück sein. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, lautet eine andere Weisheit.

Lisa Rütter, SZ vom 12./13. Juli 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Maskat

Das Geschäft des Schneiders liegt im Suk von Maskat, irgendwo im Gewühl hinter dem überdachten Hauptplatz, wo früher Frauen vom ersten Stock aus Männern durch Luken in der Holzverkleidung Kaufanweisungen gaben. Heute gehen die Frauen selbst einkaufen, ihre Abaya zum Beispiel, das schwarze Überkleid, ohne das in Oman keine das Haus verlässt. Abdur Rahman misst die Kundin zunächst mit dezentem Blick. Anfassen ist nicht. Dann hilft er bei der Anprobe: Er rafft das Kleidungsstück, wirft es mit Schwung über die Kundin. Passt auf Anhieb, das hatte vor ihm keiner hinbekommen. Seine Modelle haben grüne Borten, lila Armabschlüsse. Wo wenig Spielraum ist, wird jeder Farbtupfer zur Freude. Ein Schneider, der das Metier beherrscht, ist sein Geld wert. Abdur Rahman würden viele Frauen gern in Gold aufwiegen.

Monika Maier-Albang, SZ vom 12./13. Juli 2014

Bier

Quelle: dpa

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Mitten in ... Masar-i-Scharif

Das deutsche Feldlager bei Masar ist noch immer ein heißes Pflaster, momentan hauptverantwortlich dafür ist der Monat Juli mit Tageshöchstwerten jenseits von 40 Grad Celsius. Mal steht die Luft, mal weht sie, heiß ist sie immer, und das Marmal-Gebirge liegt tönern und furztrocken am Horizont herum. Am Abend sucht man Erfrischung, in der "Oase" ist diese für alle rationiert - zwei kleine Bier für jeden. Stattdessen also ein Besuch bei der Abendandacht im Haus Benedikt. Dürre im Land, Dürre im Glas, es gibt wirklich bessere Rahmenbedingungen für den Psalm vom guten Hirten. Der Militärpfarrer berichtet trotzdem von grünen Auen und zitiert aus der Lutherbibel: Du schenkest mir voll ein... Ein Soldat fühlt sich da offenbar in seinem Glauben geprüft, er schaut ratlos lächelnd zu Boden, dann sagt er ganz leise: "Pfft".

Cornelius Pollmer, SZ vom 12./13. Juli 2014

1965 Mercedes-Benz 600 Pullman Limousine for sale sale in Stuttga

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Ein kleiner Stau hat sich in einer Wohnstraße in Prenzlauer Berg gebildet, der Grund: zwei schwarze Mercedes-Limousinen. In einem der Wagen schaut jemand im Fond Fernsehen, der Bildschirm ist in die Kopfstütze eingelassen. Wer da schaut, ist nicht zu erkennen. Im Nu verschwinden die Limousinen, auf dem Trottoir zurück bleibt der israelische Botschafter. Womöglich haben der Botschafter und die Person im Auto zu Abend gegessen, sinniere ich, als ich vor einem Kaiser's-Supermarkt plötzlich die beiden Limousinen wiedersehe. Im Supermarkt-Eingang stehen Fahrer und Leibwächter. Kommt jetzt gleich Kanzlerin Angela Merkel heraus? Fast. Ernsten Gesichtes eilt Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière zu seinen Limousinen, in einer Hand eine pralle Kaiser's-Tüte, unterm rechten Arm eine Großpackung Toilettenpapier.

Thorsten Schmitz, SZ vom 05./06. Juli 2014

Public Viewing in Detroit, USA, Fußball-WM 2014

Quelle: AP

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Mitten in ... Los Angeles

Die USA sind im Fußballfieber, hört man nun allenthalben. Treffpunkt zum Public Viewing in Los Angeles ist der Pier von Hermosa Beach, zur Partie zwischen den USA und Deutschland waren 15 000 Menschen gekommen. Also nichts wie hin zum Spiel Deutschland gegen Algerien. Aber leider: nichts los, der Strand wie leergefegt. Darauf einen Drink. "Hier gibt es kein Fußballfieber", erklärt mir der Barkeeper. "Die WM gibt den Menschen bloß einen Grund, sich in Nationalfarben zu kleiden und 'U-S-A' zu brüllen." Am Freitag, Nationalfeiertag, ist der Pier von Hermosa Beach dann voller Menschen. Sie sind rot-weiß-blau gekleidet, viele brüllen "U-S-A", obwohl ihr Team doch längst ausgeschieden ist. Aus einer kleinen Wohnung, 500 Meter vom mutmaßlichen WM-Epizentrum entfernt, hört man derweil ein leises, dreistimmiges: "Schlaaaand!"

Jürgen Schmieder, SZ vom 05./06. Juli 2014

Im Bild: Solange das US-Team noch Chancen hatte, wurde kräftig gefeiert - etwa hier In Detroit am 1. Juli.

A wedding couple of tourists pose for their own photographer at the Trocadero Square near the Eiffel Tower in Paris

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Paris

Als Kind mal einen Film gesehen, in dem die These vertreten wurde, dass der Eiffelturm bei jedem Bild, das von ihm geschossen wird, einen Teil seiner Energie verliert. Sehr beeindruckende These! Es wird viel fotografiert, im Film, der Eiffelturm wird immer blasser und verschwindet am Ende ganz. Kein Paris-Besuch, bei dem man nicht daran denkt. Ob er bald wirklich verschwindet, wenn die Touristen am Trocadéro nicht endlich aufhören, ihn zu knipsen? Japaner halten sich ihre an eine Art Wanderstock angebrachten Smartphones vors Gesicht. Der ausgestreckte Arm ist zu kurz fürs Selfie. Daneben: Bestens ausgeleuchtete Profi-Shootings mit Hochzeitspaaren aus Russland. Nur ein paar belgische Sportler stören das Bild, als sie der Braut versehentlich ein Rad über den Schleier schieben. Und der Eiffelturm? Der lacht sich eins.

Martin Zips, SZ vom 05./06. Juli 2014

Toilette Toilettenpapier

Quelle: dpa

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Mitten in ... Dietingen

Unsere Geschichte spielt in drei nebeneinander liegenden Toilettenkabinen, dies zur Warnung, niemand ist gezwungen weiterzulesen. Autobahn 81 Richtung Bodensee, eine Raststätte bei Dietingen. Es gibt selbstreinigende WC-Sitze dort, der Ring dreht sich leise surrend durch eine Art Mini-Waschstraße. In einer der Kabinen surrt es unablässig. Ein Schweizer Bub fragt seinen Vater durch die Kabinenwand: "Du, Daddy, warum dreht sich die Tualette?" Der Vater antwortet: "Die macht sich selbst suwer." Sohn: "Du, Daddy, warum haben wir denn so was nicht daheim?" Vater: "Weil wir das daheim nicht brauchen." Sohn: "Du, Daddy, warum brauchen wir das nicht daheim?" Der Vater zögert einen Moment zu lang. Der Sohn sagt: "Aaah. Da haben wir ja die Mama." Später, beim Händewaschen, streicht der Vater dem Sohn gütig durchs Haar.

Roman Deininger, SZ vom 05./06. Juli 2014

Preparations For The Davos World Economic Forum 2013

Quelle: Bloomberg

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Mitten in ... Davos

Ich schaue gerade auf mein Handy, da trifft mich ein Geldschein im Gesicht. 50 Franken. Ein zweiter, 10 Franken, segelt vor mir zu Boden. Ich schaue hoch. Das Geld scheint nirgendwo herzukommen. Auf der anderen Straßenseite ist eine Bank, eine Frau hebt am Automaten gerade etwas ab. Doch nein, die Scheine sind nicht von ihr. "Ich habe mein Geld im Portmonnaie", sagt sie. Ein älterer Herr mit Wanderschuhen schaut herüber: "Na, wie viel sind's? 70 Stutz?" - "60". Immerhin fast 50 Euro.

Wir warten ein paar Minuten, die beiden Scheine in der Hand. Niemand kommt zurück, um sein Geld zu suchen, niemand fragt, worauf wir warten. Der Alte zuckt mit den Schultern. "Das vermisst hier wohl keiner", sagt er. Es vergehen noch ein paar Minuten. Der Alte wendet sich zum Gehen. "Nehmen Sie's mit. Ist ein gutes Souvenir aus Davos."

Charlotte Theile, SZ vom 28./29. Juni 2014

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Quelle: Martin Arz

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Mitten in ... München

Katzen, so sagt man, sind höchst unabhängige Wesen. Sie gehen ihren eigenen Weg, sind unberechenbar für ihre Besitzer. Meister Yoda heißt die kleine schwarz-weiße Katze, die sich bei uns schon frühmorgens unter der Hecke versteckt und augenscheinlich einen Plan verfolgt. Kaum verlassen die Kinder das Haus, flitzt sie hinterher. Meist sind das nur ein paar Meter.

Doch heute klingelt es 20 Minuten später an der Tür: völlig aufgelöst der Jüngste, das Tier schaut treu zu ihm hoch. Es war bis vor den Eingang zur Schule mitgelaufen. Verscheuchen, sich verstecken - nichts half. Und so musste Yoda zurückeskortiert werden, in großer Sorge, sie würde den Heimweg nicht finden.

Jetzt aber schnell, die Schule beginnt gleich. Im Auto sagt der Zweitklässler: "Das nimmt mir die Lehrerin nie ab, so etwas machen doch nur Hunde."

Ulrike Heidenreich, SZ vom 28./29. Juni 2014

Schaffner bei Fahrkartenkontrolle

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Wer auf dem deprimierenden Flughafen Schönefeld landet, will sofort weg. Taxi ins Zentrum kostet ein Vermögen, also Regionalbahn. Einziges Problem: An der Station gibt es nur vier Fahrkartenautomaten. Die sind so kompliziert, dass Berlin-Neulinge eine halbe Stunde brauchen, bis das Ticket gedruckt ist. Menschentrauben bilden sich vor den Automaten.

Deshalb haben wir schon vor der Rückkehr aus Tel Aviv Fahrkarten gekauft. Selig laufen wir an den Automaten vorbei, 20 Minuten nach der Landung fahren wir los. Prompt kommt eine Kontrolleurin. Zwei Engländer haben keine Tickets. Sie kaufen welche im Zug. Seltsam, das ist seit einem Jahr nicht mehr erlaubt. Oder? Die Schaffnerin lächelt: "Geht natürlich nicht. Aber was sollen die für einen Eindruck von Berlin bekommen, wenn sie gleich beim Schwarzfahren erwischt werden?"

Thorsten Schmitz, SZ vom 28./29. Juni 2014

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Himera

Ob Reisebegleiter gute Miene zur Ruine machen oder in lautes Lamentieren verfallen, wenn die Besichtigung historischer Stätten droht, ist eine Sache des Geschicks. Wenn es echt was zu sehen gibt, steigen die Chancen: Pompeij, Ritterburgen und so. In Himera, Nordsizilien, gibt es fast nichts zu sehen. Daran sind die miesen Karthager schuld, welche die griechische Großstadt 409 v. Chr. dem Erdboden gleichmachten. Welchen Sinn es haben solle, wandten die Begleiter ein, etwas anzuschauen, was man gar nicht anschauen kann, weil, zur Hölle, es seit 2400 Jahren verschwunden ist? Das Argument, das sei ja gerade das Spannende, wurde roh verlacht. Der Ausflug entfiel.

Am Abend saßen wir auf der Piazza einer real existierenden Stadt und sprachen über das Vergängliche aller Größe, allen Ruhms. Es ging um Spaniens Nationalmannschaft. (Im Bild: Spaniens Fernando Torres nach dem WM-Aus)

Joachim Käppner, SZ vom 28./29. Juni 2014

Felipe VI Letizia Spanien König Königin

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Madrid

Es ist der zweite Tag der Herrschaft Felipes VI., und es ist zwei Tage nach dem Debakel der Spanier bei der Fußball-WM. Der Andenkenladen hinter der Oper verramscht die roten Trikots mit den Namen der gefallenen Helden: vorher 19,99 Euro, nun 4,99. Der Pächter Enrico hat die rot-gelb-roten Fahnen mit der Parole "Weltmeister 2010-2014" schon weggepackt und will auch die Pappkronen mit dem Aufdruck "Die Könige 2010-2014" ins Altpapier geben, als zwei Engländerinnen den Laden betreten. Sie wollen zwei Kronen für je 3,99, sie seien Felipe-und-Letizia-Fans, sagen sie. Eine glückliche Fügung: Das spanische "Los Reyes" heißt nicht nur "die Könige", sondern auch "das Königspaar". Schnell pappt Enrico auf die Jahreszahl 2010 einen Aufkleber mit den Konterfeis der Majestäten. Die Kronen kosten nun 5,99. Es lebe der König!

Thomas Urban, SZ vom 21./22. Juni 2014

Eiswürfel Zange Glas

Quelle: Robert Haas

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Mitten in ... Washington

Ein Hauptstadtlokal, die Terrasse, ein Tisch voller Europäer. Fast 40 Grad. "Erst mal eine Runde Leitungswasser?", fragt der Kellner. Eine nette Sitte bei den Amerikanern: Die Gäste löschen ihren Durst, bevor sie darüber nachdenken, wie sie ihren Durst löschen. "Bitte ohne Eis, das Wasser", sagen die Europäer. Wenn Europäer nicht gerade Caipirinha trinken, verachten sie Eis in Getränken. Sie halten Eiswürfel für erkältungsfördernd, übelschmeckend oder gar für eine weitere imperialistische Unsitte. "Ja, Eis", sagt der Kellner. "Nein", sagen gleich mehrere Europäer - "without". Der Kellner nickt. Sein Blick sagt: So welche seid ihr also: verschroben, womöglich asozial. No ice. No ice! Bald bringt ein Gehilfe sieben Plastikbecher, bis oben voll mit Eis. Die Europäer saugen resigniert an den Strohhalmen. Zurzeit schmilzt es ja immerhin recht schnell.

Nicolas Richter, SZ vom 21./22. Juni 2014

A Johann Wolfgang von Goethe plastic statue, designed by Ottmar Hoerl stands at the campus of the Goethe University in Frankfurt

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... München

Sie hat dem Amerikaner in die richtige U-Bahn geholfen, er ist auf dem Weg zum Deutschkurs. Jetzt steht sie ihm erwartungsvoll gegenüber: die junge blond gelockte Frau, etwas schüchtern, der braun gebrannte Ami in kurzen Hosen und Converse. Sie findet ihn augenscheinlich gut, nur will sich ein Gespräch nicht so recht entwickeln. Der Ami scannt die anderen weiblichen Fahrgäste. Seine Helferin versucht, ihn mit aufmunternden Sätzen für die deutsche Sprache zu motivieren und für sich. Da verhilft ihr die Haltestelle "Goetheplatz" zu einem Einfall. Sie zeigt auf das Schild und lächelt. "Goethe", liest er vor. "Yes", sagt sie, "he wrote some poems and other things." Ihr Trumpf folgt in charmantem Englisch-Bayrisch: "Actually he was a european traveller!" Goethe, der alte Backpacker. Da muss der Sprachstudent leider aussteigen.

Lisa Rüffer, SZ vom 21./22. Juni 2014

Im Bild: Goethestatue auf dem Campus der Frankfurter Goethe-Universität

Eis

Quelle: iStockphoto/online.sdeleben

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Mitten in ... Istanbul

Eine schmal-steile Straße in Cihangir, Menschen wimmeln vor sich hin und durcheinander. Dann, aus dem Nichts, vor dem Kiosk an der Ecke: Rudelbildung. Sechs, vielleicht sieben junge Männer wirken, noch verbal, auf den Ladenvorsteher ein. Das Crescendo ist beeindruckend, und auch sonst rechtfertigen die Männer zwar manchen Verdacht, aber gewiss nicht jenen, in ihrer Freizeit heimlich Pantomime zu tanzen. Optisch, ein jeder: eher der Typ Gassenhauer. Die Auseinandersetzung wird heftiger, sie droht, sich zu verkörperlichen, aber dann wird plötzlich doch eine Einigung erzielt, offenbar zu Gunsten aller. Einer der Männer legt einen Schein auf den Tisch und der Ladenvorsteher drückt jedem aus der Gruppe ein Magnum-Mandel in die Hand. Große Zufriedenheit, In-die-Sonne-blinzeln, schoko-knackende erste Bisse.

Cornelius Pollmer, SZ vom 21./22. Juni 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Yangshuo

Ferien. Tandem-Tour zwischen den Reisfeldern von Yangshuo. Gejohle. Bis die Kette reißt. Dann schieben, bis zur Straße. Anruf beim Hotel. "Kein Problem. 15 Minuten." Wir warten. Einmal taucht in der Ferne eine Blechkiste auf, ein Dreirad mit Motor. Der Sohn, aufgeregt: "Ist er das?" "Klaaar", sage ich und schicke mein gutmütiges väterliches Lachen hinterher, das übersetzt in etwa bedeutet: "Ach, mein süßer, unwissender Sohn. Wir sind fünf Leute und zwei Tandems, natürlich wird uns das Hotel einen Kleinbus schicken. Oder einen klapprigen Laster. Auf jeden Fall keinen motorisierten Rollstuhl." In dem Moment hält das Dreirad auf uns zu. Bremst. An der Seite prangen rote Schriftzeichen: "Mobiler Fahrradreparateur". Ein Glatzkopf springt heraus: "Hier bin ich!" Das war Meister Wu. Yangshuos Reisfeld-ADAC.

Kai Strittmatter, SZ vom 14./15. Juni 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Stuttgart

Am Marienplatz, im Süden der Stadt, ist Stuttgart wie Berlin. Sagen die Stuttgarter. Es gibt einige extrem hippe Bars dort, und: eine extrem hippe Eisdiele. Da haben sie sogar eine Kellnerin aus Berlin; nirgends ist Stuttgart so sehr Berlin wie in ihren Händen. "Weeeste schon?", fragt sie, es klingt wie: Bestell doch mal! "Drei Kugeln", sagen wir. Aber welche? Auf der Karte: 20 Sorten. "Vanille und Schokolade", verkünden wir. "Hatt ick eh schon notiert", verkündet die Kellnerin. "Wat noch?" Wir vertiefen uns peinlich lang in die Liste. In dem Moment, in dem wir Pistazie bestellen wollen, sagt die Kellnerin: "Pistazie." Und geht. Was war das denn jetzt? Die Kellnerin erklärt das später: "Entweder du hast in der Karte zu lang uff Pistazie gekiekt. Oder wir zwei haben da so ne Verbindung." Beim besten Willen: Das mit der Karte können wir uns nicht vorstellen.

Roman Deininger, SZ vom 14./15. Juni 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Schiras

Der Mann sucht Augenkontakt, was nicht einfach ist, weil alle stehen, er aber sitzt am Boden auf dem belebten Zugang zum Schāh-Tscherāgh-Heiligtum in Schiras. "Leg da die Hand drauf", sagt er, also geht man in die Hocke, legt die Hand auf eine Handvoll Kichererbsen, zieht sie wieder zurück, und der Alte beginnt, das Schicksal zu ordnen: drei Erbsen nach rechts, die Familie, ein paar nach links, Freunde, ein paar nach oben, eine einzelne abseits, eine leere Hülse kickt er aufs Pflaster. Er erklärt: Hier alles gut, dort auch, viel Glück überall. Die einzelne Erbse? "Da kommt noch etwas." Er hält die Hand auf. 20 000 Rial, 50 Cent, reichen nicht. Das Doppelte möchte er, die Inflation rast ja gerade in Iran - und bei so viel Glück. Aber dann ein Foto, bitte. Er willigt ein, doch die Erbsen bedeckt er mit der Hand. Das Glück mag käuflich sein, er ist es nicht.

Monika Maier-Albang, SZ vom 14./15. Juni 2014

TURKEY- WINE

Quelle: AFP

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Mitten in ... Özbağ

Wer länger in Berlin lebt, kennt das Gefühl: Man kann sich keinen Ort auf der Welt vorstellen, der annähernd an Berlin heranreicht. Deshalb verlassen die Berliner ihre Stadt nur im Notfall - was soll man woanders, wenn man in Berlin sein kann? Die Berliner Familie, die in Zentralanatolien unterwegs ist, fühlt sich deshalb sehr, sehr fremd. Graue Hügel, mehr Steppe als Landschaft. Die Orte karg und einsam, keiner versteht einen. An einer Autobahnraststätte das erste Gespräch. Ein älterer Mann fragt in gebrochenem Englisch, woher man komme. Berlin, sagt die Familie. "Ah, Berlin!", sagt er und wechselt in das flüssige Deutsch von Türken, die in Deutschland gelebt haben. "Kreuzberg, Kottbusser Tor!" Und mit einem Mal fühlen sich die Berliner wie so viele Deutsche, wenn sie auf Mallorca ein Schnitzelrestaurant entdecken: angekommen.

Verena Mayer, SZ vom 14./15. Juni 2014

© SZ/cag/ihe
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