Kommerzielles Bergsteigen:Rückzug vom Gipfel

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Deutschen Bergreiseveranstaltern sind die höchsten Achttausender inzwischen zu riskant geworden.

Dominik Prantl

Das Verwunderliche ist, dass die meisten Menschen das Unglück im Mai 1996 am Mount Everest mit dem Namen Jon Krakauer in Verbindung bringen und nicht etwa mit Scott Fischer oder Rob Hall. Beide waren damals Bergführer zweier kommerzieller Unternehmen für Extremtouren und starben vor exakt zehn Jahren mit sechs anderen Menschen, darunter auch zwei von Halls Kunden, innerhalb von 24 Stunden am sturmumtosten Mount Everest.

Mount Everest (Foto: Foto: AP)

Der Journalist Krakauer war eigentlich nur Beobachter. Er dokumentierte in seinem Buch "In eisigen Höhen" eindrucksvoll, wie wenig selbst anerkannte Expeditionsexperten ihre zahlende Kundschaft in dieser Höhe vor der dünnen Luft und den Launen des Berges schützen können.

Noch im gleichen Jahr führte Ralf Dujmovits, deutscher Bergsteiger und Leiter des Bergreiseunternehmens Amical, ebenfalls eine Everest-Expedition an. Er hat dort oben "im Licht der Frühjahrsgeschehnisse einiges überdenken können und müssen" und kam zu dem Schluss: "Wenn wir unsere Gäste in diese Höhen hinaufbringen, müssen wir auch im Falle eines Notfalls für ihre Sicherheit Sorge tragen. Und das geht nur unter Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff, dessen Einsatz ich aber prinzipiell ablehne."

Er selbst war ein guter Freund von Hall und meint heute: "Rob sind 1996 Fehler unterlaufen, aus denen alle anderen Veranstalter bis heute nur lernen können." Dujmovits' Firma hat deshalb seitdem keinen der höchsten Gipfel mehr angeboten.

Auch andere Veranstalter haben längst erkannt, dass sich das Risiko am besten minimieren lässt, indem man auf die höchsten Berge der Welt verzichtet. "Natürlich könnte man mit dem Everest ein Geschäft machen", sagt Günther Härter, Geschäftsführer des DAV Summit Club. "Doch uns erscheint das Risiko eines solch hohen Achttausenders einfach zu hoch."

Über den Cho Oyu (8201 Meter) ragt das Sortiment des Summit Clubs derzeit nicht hinaus. Alles was darüber liegt, "soll selbständig und auf eigene Verantwortung bestiegen werden." Eine Ausnahme macht Härter allerdings: "Wenn die richtigen Leute anfragen, würden wir eine Expedition organisieren."

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"In dieser Höhe ist jeder an seiner Grenze"

Hauser Exkursionen wiederum arbeitet bei Touren auf Achttausender generell mit einem Partner aus der Schweiz zusammen. "Wir selbst haben mit dem Expeditionsthema abgeschlossen. In dieser Höhe ist jeder an seiner Grenze. Da kann der Führer noch so gut sein. Ein Bekannter von mir war ein leistungsfähiger Bergsteiger und ist dort auch umgekommen.", erzählt Geschäftsführer Michael Schott.

Auch wenn sich die Branche mittlerweile gebessert habe, sieht Schott wie sein Kollege Dujmovits jedoch weiterhin "schwarze Schafe, die schwer zu entdecken sind." Er weiß von Bergsteigern, die bereits in Nepal waren und dort noch einmal zahlen mussten, weil der Veranstalter das Geld nicht weitergeleitet hatte.

Streitpunkt künstlicher Sauerstoff

Seine Anziehungskraft hat der Everest bei aller Vorsicht deutscher Anbieter noch lange nicht verloren. Mehr als die Hälfte der inzwischen etwa 2600 Gipfelankünfte wurde nach 1996 registriert, Tendenz steigend. Allein am 23.Mai 2003 erreichten 118 Personen den Gipfel. Vor allem im angelsächsischen Raum, wo die Vorbehalte gegenüber künstlichem Sauerstoff weit geringer sind als bei Amical, DAV und Hauser, lässt sich das Abenteuer weiterhin buchen.

Bei Halls einstiger Agentur Adventure Consultants gibt es den Everest-Trip weiterhin - für 60000 Dollar. Fischers Unternehmen Mountain Madness (deutsch: Bergwahnsinn) verlangt 5000 Dollar weniger. Dass damals einige von Fischers Kunden, dessen Leiche noch immer in der Nähe der Aufstiegsroute liegt, nur wie durch ein Wunder dem Tod entkamen, wird auf der Webseite mit keinem Wort erwähnt.

© SZ vom 11.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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