Karlsbrücke in Prag:Ein Mythos wird verschandelt

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Dilettantischer Denkmalschutz: Nach schweren Fehlern bei der Restaurierung der weltberühmten Karlsbrücke muss Prag hohe Strafen zahlen.

Klaus Brill

Es soll Glück bringen. Wer in Prag die Karlsbrücke überquert und an der Statue des heiligen Nepomuk die dort befindliche Figur eines Hundes berührt, dem werden seine Wünsche erfüllt. So besagt es zumindest eine alte Legende, und dementsprechend verhalten sich bis heute Hunderttausende Touristen aus aller Welt.

Die Metallplatte mit der frommen Darstellung wurde gerade entfernt und durch eine neue Kopie ersetzt. Das alte Stück, schon selber eine Nachbildung des im Museum verwahrten Originals, soll von Mai an bei der Expo-Weltausstellung in Shanghai den tschechischen Pavillon und die dort präsentierte Nachbildung der Karlsbrücke zieren. Der Mythos Karlsbrücke ist nämlich ein Exportschlager.

Deshalb findet es auch außerhalb von Tschechien Beachtung, wenn es um die seit August 2007 laufende Renovierung des gotischen Baudenkmals wieder einmal Streit gibt. Mit einem Paukenschlag machte jetzt im Auftrag des Kulturministeriums die Denkmalschutzbehörde in Pilsen auf grobe Missstände aufmerksam.

Das Amt verhängte gegen die Verantwortlichen der Stadt Prag eine Geldbuße in Höhe von umgerechnet 130.000 Euro, weil bei der Renovierung der Karlsbrücke schwere Fehler gemacht worden seien.

"Die traditionellen Methoden des Steinmetzhandwerks wurden nicht respektiert", erklärte der Pilsner Behördenchef Peter Jirasek. Außerdem habe die beauftragte Baufirma exzessiv viele historische Steinquader zerstört und durch Nachbildungen ersetzt. Zudem sei der falsche Mörtel benutzt worden. "Die Fugen wurden mit einem handelsüblichen Kunststoffkitt verschlossen, wie er auch bei der Sanierung von Plattenbauten verwandt wird", erklärte die Behörde. Sie kritisierte ferner, dass als Untergrund für die neue Pflasterung des mehr als 650 Jahre alten Bauwerks Beton ausgelegt wurde.

Dies kann jeder, der in diesen Tagen die Brücke betritt, mit eigenen Augen sehen. In einem abgesperrten Sektor hantieren Bauarbeiter, und es ist auch klar erkennbar, wo sie in der Brückenmauer die alten, dunklen Steine durch neuere ersetzt haben, die durch ihre helle Farbe krass hervorstechen. Insgesamt 240 alte Quader wurden, wie am Wochenende die Zeitung Lidové noviny berichtete, schon vor einiger Zeit vollkommen zerstört.

Auch die Pflasterung vermittelt alles andere als eine historische Anmutung von diesem einmaligen Denkmal, dessen Grundsteinlegung im Jahre 1357 der mittelalterliche Kaiser Karl IV. veranlasst hatte.

Schon seit Jahren laufen Bürgerinitiativen dagegen Sturm, in welcher Weise die Prager Stadtväter mit ihrem wichtigsten Denkmal umgehen. Und die Vereinigung für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes in Tschechien sammelt seit sechs Monaten Unterschriften für eine Petition, die den Stopp der Bauarbeiten erzwingen soll.

Die saftige Geldbuße gegen die Stadt gibt dem Protest nun neuen Auftrieb. Die zuständigen Prager Beamten und Kommunalpolitiker indes verteidigen sich damit, dass alle Schritte vielfach mit Fachleuten abgestimmt worden seien, die Kritiker seien nur profilierungssüchtig. Allerdings hatte im August 2009 bereits das eigene städtische Denkmalsamt in Prag die zuständige Baubehörde wegen offenkundiger Missachtung von Vorschriften mit einer Geldbuße von umgerechnet 2100 Euro belegt.

Das Misstrauen der Unesco

Das Expertengezänk beunruhigt inzwischen Denkmalschützer in aller Welt. Auch die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) ist bereits misstrauisch geworden. Bei einer der regulären Inspektionsreisen, die ein Team des Unesco-Komitees für das Weltkulturerbe vor knapp drei Monaten nach Prag unternahm, wollten die Teilnehmer explizit auch mit den Kritikern der Karlsbrücken-Rekonstruktion sprechen.

Für die Wahrer des Weltkulturerbes ist Prag mit seinen unzähligen geschützten Bauten und seinem historischen Stadtensemble ein seltenes Juwel, das unter dem besonderen Schutz der Weltorganisation steht. Schon vor gut zwei Jahren drohte die zuständige Kommission den Prager Stadtvätern, man werde der Stadt - wie im Fall der Dresdner Waldschlösschenbrücke - den prestigeträchtigen Welterbetitel aberkennen, sollte durch den Neubau von Hochhäusern das historische Stadtbild verschandelt werden.

Damals ging es um Planungen in dem einige Kilometer vom Zentrum entfernten Stadtviertel Pankrac, die inzwischen nicht mehr auf Bedenken zu stoßen scheinen. Mit Argusaugen verfolgen die Unesco-Experten dafür jetzt den Bau eines Straßentunnels in der Nähe der Prager Burg, der Teil eines neuen Autobahnringes werden soll. Und auch der neueste Streit um die Karlsbrücke dürfte den Unesco-Wächtern kaum entgangen sein.

Für Prags Ansehen ist der Fall ein weiterer Schlag. Schon jetzt trüben schwere Korruptionsskandale das Image; dass es auch in der Denkmalschutzbehörde Fälle von Bestechung gegeben hat, ist ein offenes Geheimnis.

© SZ vom 14.4.2010/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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