Kampagne gegen Sextourismus:Hinschauen!

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Wo es Armut gibt und lasche Strafverfolgung, sind Kinder gefährdet - wie dieses Mädchen aus Bangladesch, das sich prostituieren muss. (Foto: Andrew Biraj/Reuters)

In vielen Urlaubsländern werden Kinder von Sextouristen missbraucht und erleben die Hölle auf Erde. Wie Reisende helfen können.

Von Ingrid Brunner

Endlich große Ferien. Auch viele Eltern atmen auf, wenn es in den Urlaub geht. Doch während für deutsche und europäische Familien die hoffentlich schönsten Wochen des Jahres beginnen, erleben Kinder in vielen Urlaubsländern die Hölle auf Erden. Denn auch Pädokriminelle packen die Koffer. Wer glaubt, das gebe es nur in Südostasien, der irrt. "Das fängt gleich hinter der tschechischen Grenze an", erklärt Mechtild Maurer, die Geschäftsführerin von Ecpat Deutschland, einer Arbeitsgemeinschaft, die Kinder vor sexueller Ausbeutung schützen will. Selbst auf dem Weg nach Südfrankreich, an der Autoroute du Soleil, gebe es anonyme Check-in-Hotels, die Pädophile ansteuern, so Maurer. Aus ihrer Arbeit weiß sie, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder ein globales Phänomen ist.

Überall dort, wo man unerkannt Kinder mit aufs Zimmer nehmen kann, wo Menschen wegschauen, haben pädophile Straftäter leichtes Spiel. Ob in Hotels, Airbnb-Unterkünften oder Hinterhofpensionen. Deshalb startet der Deutsche Reiseverband DRV in Zusammenarbeit mit Ecpat (die Abkürzung steht für End Child Prostitution, Pornography and Trafficking of Children) und einem Zusammenschluss von Polizeibehörden eine neue Kampagne. Unter dem Motto "Nicht wegsehen! Zivilcourage zeigen" sollen Urlauber ermutigt werden, verdächtige Beobachtungen auf der Plattform www.nicht-wegsehen.net zu melden. Man solle nicht davor zurückschrecken, Beobachtungen weiterzugeben aus Sorge, jemanden zu Unrecht zu verdächtigen, sagt Matthias Wenz von der Abteilung "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden (BKA). Die mit diesem Thema befassten Kollegen könnten sehr gut einschätzen, wo eine Straftat vorliege und wo nicht.

In Thailand werden die Täter stärker verfolgt. Nun gehen sie nach Laos und Kambodscha

Seit 2001 engagiert sich der DRV im Kinderschutz, er organisiert Schulungen von Hotelmitarbeitern, Reiseleitern, Flugbegleitern, informiert, sensibilisiert und trainiert Mitarbeiter von Tourismusunternehmen in Deutschland und den Ländern, die im Fokus der Kinderschützer stehen. "Am Anfang war das ein absolutes Tabuthema", sagt Heike Jödicke-Birnbaum, die beim DRV für das Thema Kinderschutz zuständig ist. Die Reiseveranstalter wollten zunächst nichts damit zu tun haben. Und auch in den Ländern selbst stießen Aktivisten auf Widerstände. Nach dem ersten internationalen Workshop in Sri Lanka seien die sri-lankischen Partner von der Touristenpolizei bedroht worden, erzählt Mechthild Maurer. Die Behörden sahen durch deren Äußerung, wonach Sri Lanka ein Hotspot für die Ausbeutung von Kindern sei, den ceylonesischen Staat verunglimpft.

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Hier hat ein Bewusstseinswandel eingesetzt. Inzwischen seien "viele Länder stolz, wenn etwa das BKA mit ihnen auf Augenhöhe spricht", sagt Maurer. Und die Zusammenarbeit zeige Wirkung: Heute sei es üblich, dass die deutschen Behörden ein Land warnen, wenn ein polizeilich bekannter pädophiler Straftäter einreisen will. In der Regel werde diesem dann die Einreise verweigert. Die Rechtslage ist eindeutig: Deutsche, die in anderen Ländern Kinder sexuell missbrauchen, können nach ihrer Rückkehr in Deutschland verurteilt werden.

Ecpat hat seinen Hauptsitz in Bangkok, nicht ohne Grund. "Früher gab es Hotspots, etwa in Thailand, mit einer kriminellen Infrastruktur. Verschwiegene Taxifahrer, Barleute, die Tipps gaben, bis hin zu den Hotels, in denen die Mitarbeiter wegsahen, wenn Einzelreisende mit fremden Kindern zum Aufzug gingen", sagt BKA-Mann Matthias Wenz. Seit der Verfolgungsdruck in Thailand zugenommen habe, gehen die Missbrauchsfälle dort zurück. Allerdings ist damit das Problem nicht aus der Welt. Pädokriminelle weichen in andere Länder aus, etwa nach Laos und Kambodscha. Sie zieht es dorthin, wo sie es leicht haben: weil Armut und Korruption herrschen und die Behörden nur zögerlich agieren. Doch Maurer ist optimistisch. "Das Beispiel Kolumbien zeigt, wie man zusammen mit Behörden und der Bevölkerung etwas verändern kann." Dort habe man innerhalb von drei Jahren mehr als hundert Tourismusunternehmen zum Mitmachen gewinnen können. Kinder wurden in den Schulen informiert. "Das war sehr erfolgreich."

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Der DRV hat nun einen neuen Flyer entwickelt. Er liegt in den Zimmern der Partnerhotels auf. Teilnehmende Reiseunternehmen verschicken ihn mit den Reiseunterlagen. Auch in den Flugzeugen der Condor werden 50 000 Flyer verteilt und ein Film gezeigt. Das neue Video solle den Blick der Reisenden schärfen, erklärt Heike Jödicke-Birnbaum vom DRV.

Die Kampagne "Nicht wegsehen - Don't look away" gibt es seit 2010. Seit 2014 ist die Plattform www.nicht-wegsehen.net online. Sie ist Teil eines europaweiten Projekts, an dem sich mittlerweile 21 Länder beteiligen. 2017 habe es über die deutsche Plattform 38 relevante Meldungen gegeben, fast 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, sagt Mechthild Maurer. Ein klares Täterprofil gebe es nicht, sagt Matthias Wenz vom BKA. Die Täter seien quer durch jede Alters- und Bildungsschicht zu finden. Und auch ein "Urlauberprofil" sei nicht auszumachen: Geschäftsreisende vergehen sich genauso an Kindern wie Rucksacktouristen. Man könne eben niemandem ansehen, ob er pädophil sei, sagt Wenz. "Oder sie", ergänzt Mechtild Maurer, denn es gebe durchaus auch Täterinnen.

Das Video und der Flyer sind auf der DRV-Webseite www.drv.de zu sehen

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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