Goraiko! Natürlich, in Japan, wo Steine und Bäume heilig sein können, muss auch der Sonnenaufgang auf dem göttlichen Berg Fuji einen eigenen Namen haben. Es ist ja auch überirdisch schön, das erste Licht des anbrechenden Tages auf 3776 Meter Höhe kommen zu sehen. Und es ist saukalt - mit Temperaturen um den Gefrierpunkt bei heftigem Wind, während in Tokio schwüle 30 Grad herrschen. Der Aufstieg von einer der Berghütten beginnt um etwa zwei Uhr morgens. Die Wanderer krabbeln aus Matratzenlagern, wie man sie aus den Alpen kennt, und sind gestärkt mit eher nicht alpinen Spezialitäten: Grüntee, Reis und gebratenem Fisch, den sie am Vorabend im Fersensitz auf einer Reismatte genossen haben.
Die letzten 600 Meter bis zum Gipfel sind eine meditative Lektion in Demut: Im Schneckentempo geht es über vulkanisches Geröll voran. Zwischen 4000 und 5000 Menschen wollen zur selben Zeit nach oben. Nur im Juli und August ist es möglich, den Fuji zu besteigen, da stehen Junge, Alte und Uralte wörtlich Schlange auf den schmalen Steigen. In diesem Jahr, nach dem Ende der Corona-Restriktionen, wird der Andrang besonders groß sein. Der Endspurt aber ist immer gleich: Ordner mit Schutzhelmen und in Warnwesten dirigieren die Massen in der Finsternis mit Leuchtstäben. Die Langsamen sollen links gehen und die Schnelleren vorbeilassen. Nach zwei Stunden tauchen endlich zwei Steinlöwen auf und ein Shinto-Tor: Symbol des auch spirituell gemeinten Übergangs zur Gipfelregion des Fuji. Das zweite, das ins Auge fällt, ist eine Reihe beleuchteter Getränkeautomaten. Dann kommt die Sonne.