Indien:Der Müll der Pilger

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In Indien haben zwar viele Bundesstaaten Beschränkungen oder Verbote für Plastik erlassen, etwa in Punjab. Doch bislang ist von einer Umsetzung im Alltag kaum etwas zu spüren. Zudem fehlt noch immer ein vernetztes Müllmanagement.

Von Arne Perras

Touristen, die geballt auftreten, machen jede Menge Müll, das weiß man auch und gerade in Indien. Wobei der Tourismus dort traditionell eher nicht zum Strand führt, als Ziel steuern einheimische Reisende eher Tempel oder heilige Flüsse an. Tourismus in Indien, das ist oft Pilgertourismus. Was er hinterlässt, lässt sich am Südabhang des Himalaja gut besichtigen. Weil sich Kommunen und der Staat um den Müll oft nicht richtig kümmern, bleibt es Tausenden Freiwilligen überlassen, die Hinterlassenschaften der Besucher einzusammeln. "Während die kleinen und großen Städte längst mit Plastikmüll verstopft sind, verwandelt sich nun der Himalaja immer mehr zur Plastikmüllhalde", berichtete die Times of India kürzlich aus dem Bundesstaat Himachal Pradesh. Auch ein Youtube-Video sorgte für Aufsehen. Es zeigt den Gebirgsstrom Ashwini Khud, in dem kein kristallklares Bergwasser, sondern eine gigantische Flut von Plastik ins Tal rauscht. Es wird gemutmaßt, die örtliche Müllabfuhr habe den einfachsten Weg gesucht, sich das Plastik vom Hals zu schaffen.

Der Taj Mahal ohne flatternde Tüten - noch ein weiter Weg

Aber war Indien nicht jener Staat, der im Juni mutig verkündete, er werde bis 2022 den Gebrauch von Einwegplastik stoppen? Dieses Versprechen hat selbst der Premierminister bekräftigt, doch wer demnächst als Besucher nach Indien reist, wird davon noch nicht viel mitbekommen. Außer er macht sich auf den Weg auf die entlegenen Andamanen-Inseln und steigt im Taj Exotika Resort & Spa ab. Diese Luxusadresse beansprucht für sich, Indiens erstes Hotel zu sein, das auf Einwegplastik komplett verzichtet. Ob es Schule machen wird, muss sich erst zeigen.

Wie das neue Gesetz zur Vermeidung von Einwegplastik genau aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Der Staat feilt an den Details, im Verborgenen. Ravi Agarwal, Direktor der Umweltorganisation Toxics Link, hält es für entscheidend, dass die Regierung zunächst genau definieren muss, was unter den Begriff "Einwegplastik" fällt und was dies dann für die Verpackungsindustrie und deren Erzeugnisse bedeutet.

Zwar zählen die Inder nicht zu den größten Plastiksündern weltweit; pro Kopf verbraucht jeder Inder jährlich elf Kilogramm, ein US-Amerikaner die zehnfache Menge. Was in Indien jedoch fehlt, ist ein vernetztes Müllmanagement. Tatsächlich haben zwar viele Bundesstaaten bereits Beschränkungen oder Verbote für Plastik erlassen, etwa in Punjab, doch ist davon im Alltag kaum etwas zu spüren, es hapert an der Umsetzung. So wie im Bundesstaat Maharashtra, wo die Verpackungslobby offenbar dafür sorgte, dass strenge Regeln schon eine Woche nach der Einführung gleich wieder aufgeweicht wurden. Auch rund um die größten indischen Sehenswürdigkeiten, die Millionen Besucher anlocken, bekommen die Kommunen das Müllproblem oft nicht in den Griff. Am Taj Mahal sehen deshalb Touristen schon mal Plastiktüten durch den zauberhaften Garten flattern, bevor diese von Arbeitern, die hier eine Sisyphusaufgabe verrichten, eingesammelt werden.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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