Im Hundeschlitten durch Norwegen:"Fui, Husky! Fui!"

Wer mit einem Hundeschlitten durch die norwegische Polarnacht fährt, braucht neben starken Nerven vor allem eines: starke Beine für die Bremse.

Astrid Bischof

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Mit der Ruhe in den Zwingern ist es vorbei, wenn die Tiere vor den Schlitten gespannt werden. Dann muss dieser mit einem schweren Haken im Maschendrahtzaun des Zwingers befestigt werden, damit die Tiere nicht losspurten. Zwei Füße in schweren Canadian-Boots stehen auf der Bremse, zwei Hände stemmen den Holm, an dem sich der Hundeführer festhalten kann, nach oben. Das verstärkt die Bremswirkung. Auf dem Schlitten liegen Säcke, gefüllt mit mehreren Zentnern Sand. Sie sorgen dafür, dass sich die Hunde anstrengen müssen.Foto: Bischof

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Am Beginn einer Fahrt im nordnorwegischen Innset jedoch erscheinen die Sandsäcke wie mit Daunen gefüllt, obwohl allein der Schlitten ohne Säcke zwanzig Kilo wiegt: Sechs Hunde wollen laufen, schnell laufen. Und zwar sofort. Sie springen, sie schnappen um sich, sie jaulen, sie kläffen. Sie wollen weg von ihrem Zwinger, hinaus in die verschneite Landschaft Nordnorwegens. Die Tiere reißen an den Nylonseilen, mit denen sie an dem Schlitten festgemacht sind.Noch sind die Tiere mit dem Panikhaken, der sich auch unter starkem Zug noch leicht öffnen lässt, am Zaun festgemacht, so dass sie nur einige heftige Sprünge nach vorne machen können. Diese flößen dem Touristen großen Respekt, wenn nicht gar ein wenig Angst ein - schließlich soll er die wilde Meute gleich bändigen. Und das ganz alleine, schließlich fährt und bremst er den Schlitten selbst.Foto: Bischof

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Ein metallisches Klicken ist noch zu hören, als der Fahrer den Panikhaken vom Zaun des Zwingers löst. Dann dämpfen der schwere Schnee und das darunterliegende zentimeterdicke Eis alle weiteren Geräusche bis auf das freudige Bellen und das Schnaufen der Hunde, die in der Dämmerung der Polarnacht einen Hügel hochjagen. Weil es bergauf geht, lockern die Fahrer der Gespanne schon nach wenigen Metern die Bremsen. Langsam schwindet auch die Angst der Touristen vor der Muskelkraft und dem Eifer der fünf bis acht Tiere, die vor jeden Schlitten gespannt sind und ein bis zwei Leute ziehen.Foto: Bischof

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Angst hat Hundetrainer Marc Lüdi schon lange nicht mehr vor der Geschwindigkeit der aufgeregten Hunde. Gemeinsam mit seiner Freundin Stella trainiert er die 67 Huskies zwar erst seit einigen Monaten, kennt die Tiere aber inzwischen durch und durch.Es rumpelt, es holpert, es ruckt - die Hunde ziehen über Stock und Stein. Die Schneedecke ist Mitte Dezember noch nicht so dicht. Der Tourist auf dem Schlitten spürt jede Erschütterung und jede Erhebung im Boden. Immer wieder muss er "Fui" rufen, das norwegische Wort für "Pfui". "Fui" ruft er etwa, wenn ein Hund den anderen anknurrt oder wenn ein Tier sein kleines oder großes Geschäft nicht im Laufen, sondern im Stehen machen will, was eine Katastrophe wäre. Wenn sieben Hunde rennen und einer steht, dann wird der entweder mitgezogen oder die anderen laufen über ihn hinweg und zerren den Schlitten mit.Seit September arbeitet Lüdi auf der Husky-Farm in der Nähe des nordnorwegischen Städtchens Bardufoss: "Ich kann mir keinen schöneren Job vorstellen." Die Farm gehört Björn Klauer, einem Hamburger, der vor mehr als 25 Jahren Deutschland den Rücken gekehrt und sein Hobby zum Beruf gemacht hat: Er nimmt Touristen mit auf Tages- und mehrtägige Touren.Foto: Bischof

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Mit 67 Schlittenhunden zu arbeiten bedeutet Aufstehen um sieben Uhr - egal ob bei Mitternachtssonne oder in der Polarnacht. Anfang Dezember verschwindet die Sonne am Polarkreis für mehrere Wochen, hell wird es nur für etwa fünf Stunden und manchmal erstrahlt der finstere Himmel in einem grünen Schein - dann, wenn das Polarlicht tanzt. Bis zu minus 25 Grad zeigt dann das Thermometer.Den Hundetrainern Marc Lüdi, 32, und Stella Kessler, 30, schneidet dann die kalte Luft ins Gesicht: beim Füttern, Streicheln, beim Schlittenpacken und auf den Ausfahrten. Etwa zehn Kilometer legt jeder Hund am Tag mindestens zurück.Foto: Bischof

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Auch den Touristen weht eisiger Wind ins Gesicht, je schneller und eifriger die Tiere laufen, desto kälter wird es. Es dauert etwa 15 Minuten, dann sind die Backen rot und etwa eine halbe Stunde, dann spürt man sie nicht mehr. Warm sind vor allem die Hände und die Füße - vom Festhalten und Bremsen.Jeder Fahrer muss mit seinem Gespann langsamer werden, wenn es bergab geht oder wenn der Untergrund zu unwegig ist für hohe Geschwindigkeiten. Und er muss anschieben, wenn der Hundeschlitten auf einen Berg hinauf soll. Etwa zwölf Stundenkilometer schnell fahren die Gespanne.Foto: Bischof

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"Ich habe keine solchen Flitzer wie die schneidigen Alaskischen Huskies, sondern zähe Durchhalter", sagt Björn Klauer. Seine Huskies sind robuste Züchtungen aus verschiedenen Rassen: Sibirische und Grönländische Elterntiere sind gekreuzt. Blaue Augen haben die wenigsten seiner Tiere. Sie sehen eher aus wie Wölfe.Jeder Hund frisst pro Tag etwa eineinhalb Kilo rohes Fleisch und Fisch. Alles wird samt Haaren, Schuppen, Gräten durch einen Fleischwolf gedreht, der so stark ist, dass man eine ganze Ziege hineinwerfen kann. Eineinhalb Kilo reichen, dass der Hund gesund bleibt, aber keinesfalls dick wird. Die Hunde hätten aber Lust auf mehr: Sobald ihre Versorger die Portion auf den Boden leeren - im Sommer ins Heidekraut, im Winter in den Schnee - dauert es etwa 30 Sekunden, dann ist auch noch das kleinste Fitzelchen Fleisch und Fisch weg.Zum Fressen werden alle Hunde angehängt, denn selbst Tiere, die zusammen in einem Zwinger leben oder die gemeinsam im Gespann laufen, kennen beim Fressen keine Freunde.Foto: Bischof

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Vor den Schlitten werden Hunde nebeneinander gespannt, die sich vertragen. "Meistens läuft ein Weibchen neben einem Männchen, damit die Hierarchie klar ist", erklärt Marc Lüdi. "Bei den Huskies sind die Frauen die Chefs." Die Hunde können die Huskies vor oder hinter ihnen nicht leiden und beißen manchmal in die Gelenke. "Wenn das passiert, dann fällt so ein Hund lange aus oder kann nie mehr mit auf lange Touren gehen, darum müssen wir das verhindern und ständig aufpassen", sagt der Trainer.Foto: Bischof

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Lüdi kennt alle Hunde mit Namen und weiß, wer unbedingt gestreichelt werden muss, bevor es an die Arbeit oder in den Feierabend geht. Er würde gerne im nordnorwegischen Innset bleiben, anstatt wieder zurückzukehren zu seinem Job als Schreiner in der Schweiz. Doch die Hundeschlitten-Saison ist spätestens im Mai vorbei. Dann ziehen die Tiere einen ausrangierten Lastwagen durch das Heidekraut und über die Kieswege, um im Training zu bleiben - nicht mehr jeden Tag und ohne Touristen. Dann werden auch die Trainer nicht mehr gebraucht, bis zum nächsten Winter.Foto: Bischof

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ReiseinformationenFlüge mit der Lufthansa nach und von Oslo gibt es ab 99 Euro, von Oslo mit der Fluggesellschaft Norwegian nach Bardufoss oder Tromsö ab 62 Euro. Anreise nach Innset per Europcar- oder Avis-Mietwagen ab etwa 65 Euro oder per Transfer durch Björn Klauer für 95 Euro. Eine etwa dreistündige Tour mit Klauers Schlittenhunden kostet 95 Euro pro Gespann, Übernachtung auf der Huskyfarm ab 25 Euro.Foto: Bischof(sueddeutsche.de/abis/kaeb/cmat)

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