Hotelbewertung im Internet:"Denk' ich an die Sauberkeit der Gläser, wird mir schlecht"

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Nach Ferienende werden auf den Online-Reiseportalen wieder Hotels benotet - vieles davon ist hilfreich, aber nicht alles zuverlässig.

Florian Fuchs

Es war sein erster Urlaub seit 18Monaten, und eigentlich wollte Adrian Healey mit seiner Freundin nur ein paar Tage entspannen, im Golden Beach Hotel, direkt vor dem Freizeitpark "Pleasure Beach" im Westen Englands. Doch der Aufenthalt in Blackpool dauerte nur zwei Tage, von Entspannung war keine Rede. Am ersten Abend durfte das Paar einige Stunden lang nicht in sein Zimmer, weil ein neuer Teppich verlegt wurde. Am zweiten Tag schmiss der Hotelier die beiden Briten raus. Die Begründung: Healey habe das Hotel beim Online-Portal Tripadvisor schlecht bewertet.

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Es ist ein neuer Höhepunkt im mitunter gespannten Verhältnis zwischen Hoteliers und ihren Gästen. Seit einiger Zeit werden solche Streitfälle gern im Netz ausgetragen: In Hotel-Bewertungsportalen können Internetnutzer - wie jetzt nach dem Sommerurlaub - ihre Reisen aufarbeiten und den Quartieren Noten geben. Einer Erhebung des Verbandes Internet Reisevertrieb zufolge hatten Ende 2009 bereits 32,9 Millionen Deutsche schon einmal eines der zahlreichen Portale wie Holidaycheck oder hotelkritiken.de genutzt, um ihren Urlaub zu planen. Beim weltgrößten Anbieter Tripadvisor gehen pro Minute 21 Beiträge über Hotels auf der ganzen Erde ein.

"Die Bewertungen sind eine gute Orientierung, aber Urlauber sollten sich nicht alleine darauf verlassen", sagt Carmen Gahmig. Die Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz rät, sich über Urlaubsziele auch in Tourismusbüros zu informieren - oder zumindest auf mehreren Portalen. "Das sind oft subjektive Eindrücke", warnt sie. Ein positiver Beitrag einer Familie sei nicht unbedingt hilfreich für Singles.

Nutzer sollten immer den durchschnittlichen Tenor der Bewertungen über ein Hotel herausfiltern, findet auch Falk Murko von Stiftung Warentest. Extrem lobende wie kritische Kommentare seien mit Vorsicht zu betrachten: "Wenn ein positiver Beitrag zu sehr nach Katalog klingt, dann hebt sich vielleicht ein Hotelier selbst in den Himmel." Anfang 2010 untersuchte Murko mehrere deutsche Portale auf ihre Anfälligkeit für Manipulationen, indem er fingierte Bewertungen abgab. Das Ergebnis: Die meisten Seiten veröffentlichten zumindest einen Teil der falschen Kommentare.

Dabei beschäftigen die Branchengrößen Tripadvisor und Holidaycheck in Deutschland sogar 60 und 40 Mann starke Redaktionen, um fingierte Rezensionen oder offensichtlich falsche Angaben zu löschen. Vieles wird durch automatische Suchmaschinen herausgefiltert, doch manche gefälschten Beiträge gehen trotzdem online. "Wenn einer sich einen Spaß macht und schreibt: ,Tolles Hotel mit toller Sauna', können wir nicht bei jeder Bewertung prüfen, ob das Hotel wirklich eine Sauna hat", sagt Holidaycheck-Sprecher Claudius Moarefi. In solchen Fällen seien die Portale auf die Hilfe der Nutzer angewiesen. "Das funktioniert auch ganz gut", findet Falk Murko von Stiftung Warentest. "Andere Gäste machen meist schnell darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmen kann."

Manchmal gibt es allerdings auch Streit mit Hoteliers, die mit geschönten Bewertungen versuchen, ihr eigenes Quartier positiver darzustellen - oder einen Konkurrenten gezielt schlecht machen wollen. Tripadvisor wertet es schon als Betrugsfall, wenn Freunde eines Hoteliers Rezensionen über dessen Haus abgeben. Kommt den Redakteuren etwas seltsam vor, kontaktieren sie das Hotel. Schreibt der Hotelier weiter fingierte Bewertungen, wird das Haus auf der Portalseite rot markiert. Das ist dann richtig schlecht fürs Geschäft.

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Um eine Bewertung abzugeben, muss man bei den großen Portalen zumindest eine Email-Adresse und einen Benutzernamen angeben - jedoch nicht unbedingt den vollen Namen. Geschönte Rezensionen zu erkennen, ist daher schwierig. Unter anderem geschieht das anhand der IP-Adresse des Computers, von dem aus der Eintrag gesendet wurde: "Wenn ein Kommentar über ein Hotel in Kitzbühel aus Kitzbühel kommt, dann steckt wahrscheinlich der Hotelier selbst dahinter. Wer macht schon Urlaub im Heimatort", sagt Holidaycheck-Sprecher Moarefi.

Einige Hotelbesitzer haben seit Jahren Probleme mit den Portalen: "Wir hatten schon erboste Hoteliers vor unserer Tür stehen", erzählt Moarefi. Es gab auch Klagen, meist ohne Erfolg. Das Amtsgericht Wolgast in Mecklenburg- Vorpommern etwa entschied 2008, dass Meinungsäußerungen erlaubt seien, sofern die Urlauber niemanden beleidigten. Ein Gast hatte einem Hotelier "unternehmerische Arroganz" vorgeworfen.

Der Grat zwischen Schmähschrift und fundierter Kritik ist dünn. "Wenn man nicht mit Trinkgeld um sich wirft, bekommt man die Getränke nicht gebracht", beschwert sich ein Gast bei Holidaycheck über ein Fünf-Sterne-Hotel in Ägypten, "und wenn ich an die Sauberkeit der Gläser denke, wird mir schlecht." Die Stiftung Warentest rät, in solchen Fällen zusätzlich zur Bewertung auch Fotos auf die Seite zu stellen.

Der Hotel- und Gaststättenverband versucht, dem Konflikt zwischen Hotels und Portalen durch einen Kriterienkatalog zu entschärfen: Demnach soll es etwa keine anonymen Bewertungen geben. Der Verband empfiehlt den Hotels sogar, die Portale zu nutzen, um eigene Schwächen zu erkennen. Die Ringhotel-Kette kommt der Aufforderung bereits nach: Die Homepage zeigt direkt auch die Kommentare von Holidaycheck-Nutzern an - selbst bei scharfer Kritik.

So weit ist der Hotelier aus Blackpool bereits noch lange nicht. Der wollte Adrian Healey nicht einmal mehr das Geld für die noch ausstehenden Übernachtungen zurückzahlen. Der Fall landet in England nun wohl vor Gericht.

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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