Kolumne "Hin & Weg":A bisserl was geht immer

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Es muss nicht jeder wissen, wer bei der Spritztour an den Gardasee dabei war. (Foto: Wieslaw Jarek/mauritius images/Alamy Stock Photos)

Bußgeldbescheide sind ärgerlich. Unangenehme Blitzerfotos noch mehr. Die italienische Regierung hat ein Einsehen.

Glosse von Stefan Fischer

Berufspendlerinnen, die im Autoradio die besten Hits der 80er und 90er hören. Papataxis, die ihre Kinder zur Schule karren, damit die sich nicht zu Fuß durch den gefährlichen Verkehr schlängeln müssen, den die apportierenden Eltern überhaupt erst verursachen. Oder aber Familien - die Eltern verbissen frohgemut, der Nachwuchs genervt quengelnd -, die über den verstopften Brenner der Adria und also ihrem Urlaub entgegenschleichen: Auto fahren kann entsetzlich zermürbend sein.

Manchmal ist es aber auch ziemlich aufregend. Lebensbedrohlich aufregend sogar. Jim Jarmusch hat das unverblümt anschaulich und stellenweise irrsinnig lustig in seinem grandiosen Episodenfilm "Night on Earth" zelebriert. Fünf Städte, fünf nächtliche Taxifahrten: In Rom sitzt Roberto Benigni am Steuer, trotz der Dunkelheit mit Sonnenbrille vor den Augen, halsbrecherisch durch die Straßen der Ewigen Stadt kurvend. Als ein älterer Priester zusteigt, hat der Chauffeur endlich einen Zuhörer für seine wasserschwallartig hervorbrechende Aufgekratztheit. Erst schäkert er mit sich prostituierenden Transsexuellen am Straßenrand, dann beichtet er dem Geistlichen seine sexuellen Ausschweifungen - mit Kürbissen, Schafen und seiner Schwägerin. Das alles ist zu viel der Beichte für das Herz des frommen Alten.

Nicht gleich das Leben, aber doch die Contenance verlieren aufgrund einer aufregenden Autofahrt mitunter sogar Menschen, die gar nicht mit dem Wagen unterwegs gewesen sind. Sondern nur ihr Partner oder ihre Partnerin. Und zwar in Begleitung von Beifahrerinnen oder Beifahrern, die in diesem Auto überhaupt nichts verloren haben. Jedenfalls sehen das die Daheimgebliebenen oftmals so.

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Nun war es bislang auch in Italien üblich, dass, wer wegen einer Geschwindigkeitsübertretung geblitzt worden ist, mitsamt dem Bußgeldbescheid auch das Beweisfoto zugesandt bekommen hat. Auf diesen Aufnahmen waren mitunter Menschen zu sehen, deren Anwesenheit in dem jeweiligen Fahrzeug, nun ja, erklärungsbedürftig war. Die eine oder andere Ehe ist wegen einer Radarfalle gescheitert.

Das müsse doch wirklich nicht sein, findet die italienische Regierung. Ein diskretes Treffen mit dem Mafioso von nebenan, eine Spritztour mit der Affäre, was ist schon dabei? Das Leben ist schwer genug, man muss es nicht zusätzlich verkomplizieren. Und so werden deshalb fortan keine Beweisfotos mehr verschickt, übrigens auch nicht an ausländische Verkehrssünder. Nur wer Einspruch einlegt, riskiert ein persönliches Waterloo, wenn die Bußgeldbehörde dann nämlich doch die Karten auf den Tisch legt beziehungsweise eine Fotografie in einen Umschlag steckt.

Das ist vermutlich auch der eigentliche Zweck dieser Maßnahme. Verkauft wird sie von der italienischen Regierung zwar als Schutz der Privatsphäre. In Wahrheit aber soll sie die Zahlungsmoral heben und die Bürokratie entlasten durch die Vereinfachung der Verfahren. Weil die im Überschwang ihrer Hormonausschüttungen zu rasant Fahrenden ihr Buß- als Schweigegeld begreifen, deshalb willig zahlen und sich schon auf die nächsten Dienstreise freuen, bei der dank der gewünschten Begleitung auch das private Vergnügen nicht zu kurz kommen wird. Questa è la dolce vita!

Stefan Fischer bevorzugt aus verschiedenen Gründen Züge. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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