Hermann Hesse im Tessin:Wo "Siddhartha" entstand

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Einige seiner bekanntesten Romane wie "Das Glasperlenspiel" oder "Siddhartha" schrieb Hermann Hesse im Tessin. Sein Wohnort Montagnola am Luganer See ist bis heute geprägt vom Leben und Wirken des großen deutschen Schriftstellers.

Udo Lindenberg war da. Das gekritzelte Selbstporträt mit Hut und Sonnenbrille ist unverkennbar. "Das Unmögliche, mach es möglich", hat der Rocker ins Gästebuch des Museums für jenen Dichter geschrieben, der ihn - wie unendlich viele andere Menschen in etlichen Ländern der Welt - seit Teenagertagen beeindruckt und beeinflusst hat: Hermann Hesse, Autor von Romanen wie "Steppenwolf" und "Siddhartha", die bis heute zu den einflussreichsten der Weltliteratur zählen. Der Todestag des Literaturnobelpreisträgers jährt sich am 9. August zum 50. Mal. Ein Grund mehr für Hesse-Fans, auf seinen Spuren zu wandeln.

Der Dichter mit dem Strohhut - das Foto hängt direkt neben dem Eingang zum Hesse-Museum in Montagnola. (Foto: Lugano Tourism/dpa-tmn)

Nirgendwo wird der Wahl-Schweizer Hesse so nacherlebbar, steht und geht er in der Vorstellung so neben einem, wie bei Wanderungen auf seinen Spuren im Schweizer Kanton Tessin. Hier lebte der Schriftsteller mehr als 40 Jahre bis zu seinem Tod. Hier schrieb er seine bekanntesten Werke, darunter seinen letzten Roman "Das Glasperlenspiel".

Hesse liebte die Landschaft am Luganer See mit ihren Hügeln und Schneebergen, von Pinien gesäumten Wegen, Palmen, bunten Wiesen und Wäldern voller Kastanienbäume. Im Tessin, dem italienisch geprägten südlichsten Teil der Schweiz, gibt es viele Möglichkeiten, seinen Spuren zu folgen. Am besten beginnt man in seinem Wohnort Montagnola. Das Dorf liegt oberhalb der Finanz- und Kulturmetropole Lugano. Früher führte ein Waldweg vom Ufer des Luganer Sees hierher. Hesse ging ihn gern, wenn er "in die Stadt" wollte. Heute ist die Strecke so weitgehend zugebaut, dass man besser mit dem Auto oder ab dem Bahnhof von Lugano mit dem Postbus nach Montagnola fährt.

Das erste Ziel ist für die meisten das Museo Hermann Hesse. Dort hält die Direktorin Regina Bucher das Gästebuch mit der Widmung und Zeichnung Udo Lindenbergs unter Verschluss. "Man weiß ja, nie", sagt sie schmunzelnd.

Lindenberg ist nicht der einzige Musiker unter den vielen Hesse-Fans. In den wilden 60-er Jahren nannte sich sogar eine amerikanische Rockband "Steppenwolf" und eroberte die Hitparaden mit "Born to Be Wild". Öfter noch als Udo lässt sich in Montagnola die US-Rockerin Patti Lee Smith sehen. Seit 1997 leitet Bucher das Museum, das sie gemeinsam mit der Fondazione Hermann Hesse aufgebaut hat. Sie gehört auch zu den Kuratoren der Ausstellung "...die Grenzen überfliegen", die im Kunstmuseum Bern sowie ab 31. August in Lugano so umfangreich wie nie zuvor Hesses Werk als Maler zeigt. Zudem ist Buchers Literatur-Reiseführer "Mit Hermann Hesse durchs Tessin" zu einer Art literarischer "Wander-Bibel" für alle avanciert, die mehr wollen, als allein den Hesse-Rundweg rings um Montagnola abzulaufen.

Gleich neben dem Museum steht die Casa Camuzzi, die für Touristen nicht zugänglich ist. In diesem Mehrfamilienhaus fand Hesse 1919 eine Wohnung. Sie war in schlechtem Zustand, aber für den damals armen Poeten wenigstens noch bezahlbar. Von der Sonnenterrasse aus bot sich schon damals ein unglaublich schöner Blick über den Luganer See.

Hesse schrieb hier Werke wie "Narziss und Goldmund", "Klingsors letzter Sommer" und "Siddhartha". Allein dieser Roman hätte wohl genügt, um Montagnola zur Hesse-Pilgerstätte zu machen. Henry Miller nannte dieses meistgelesene Werk Hesses "eine ungeheure Tat". Die romanhafte Auseinandersetzung mit dem Buddhismus war für den US-Schriftsteller "eine wirksamere Medizin als das Neue Testament".

Der Rundweg führt vorbei an mehreren Grotti - kleinen Schankstuben, oft halb im Berg versteckt -, in denen Hesse gern einkehrte. Auf dem Rundweg in Montagnola erfährt man per Audio Guide auch einiges über Ninon Dolbin, seine dritte Ehefrau. Die Wienerin betete den Schriftsteller an und schrieb ihm schon als 15-Jährige flammende Briefe. Schließlich willigte er ein, dass sie ihn in Montagnola besuchte. Es dauerte noch Jahre, bis sich eine Liebesbeziehung entwickelte, 1931 entschloss sich der Dichter, noch einmal zu heiraten. Mit Ninon bezog er ein großes Anwesen, die Casa Rossa ein paar Minuten außerhalb des Dorfkerns. Die Villa hatte der Zürcher Industrielle und Mäzen Hans Conrad Bodmer nach Hesses persönlichen Wünschen für ihn bauen lassen.

Die letzte Station - wenn auch nicht in der Reihenfolge des Hesse-Rundwegs - ist Gentilino. In diesem Ortsteil von Montagnola liegt der Gemeindefriedhof. Hier wollte Hesse begraben werden. Der Wunsch wurde ihm erfüllt. 1962 wurde Hesse zum Ehrenbürger seines Dorfes ernannt. Noch im selben Jahr starb er, 1966 seine Frau Ninon. Ihre Gräber, so hatten sie es gewollt, sind die schlichtesten des Friedhofs.

Informationen:

Anreise: Das Tessin liegt im Süden der Schweiz am Südrand der Alpen, es ragt fast wie ein Dreieck nach Norditalien hinein. Montagnola ist am besten über Lugano, die größte Stadt des Kantons, erreichbar. Bahnverbindungen gehen meist über Zürich, Fahrtzeit von dort knapp drei Stunden. Bei Auto-Anreise aus dem Norden muss in der Hauptreisezeit mit Staus am Gotthard-Tunnel gerechnet weren. Vom Hauptbahnhof in Lugano erreichen Busse Montagnola in etwa 30 Minuten. Der Lugano Airport ist unter anderem über Zürich und Genf erreichbar.

Reisezeit: Um auf den Spuren von Hesse zu wandeln, bieten sich Frühjahr, Sommer und Herbst an.

Informationen: Das Hesse-Museum in Montagnola ist von März bis Oktober täglich von 10.00 bis 18.30 Uhr geöffnet, von November bis Februar nur Samstag und Sonntag von 10.00 bis 17.30 Uhr. Eintritt: 8,50 Schweizer Franken. Adresse: Torre Camuzzi, CH-6926 Montagnola, ( www.hessemontagnola.ch); Ticono Turismo, Via Lugano 12, CH-6501 Bellinzona, (Tel.: 0041/91 825 70 56, www.ticino.ch).

© Thomas Burmeister/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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