Städtetourismus:Trotz Elbphilharmonie nur vier Prozent mehr Gäste

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Im Ausland ist Hamburg lange keine Größe gewesen. Wer dort an Deutschland dachte, dachte an Berlin oder das Oktoberfest in München. Mancher Hamburger kann sich das vermutlich nicht vorstellen, dass seine "schönste Stadt der Welt" mit Hafen und Michel kaum jemanden in der Ferne bewegte. Aber Sascha Albertsen hat Zahlen dazu. Vor drei Jahren hat die Tourismus GmbH eine Umfrage unter 10 000 Menschen im Ausland gemacht. "Das Ergebnis war sehr, sehr ernüchternd."

The Fontenay Hamburg.

Mit dem kürzlich am Alsterufer eröffneten Hotel The Fontenay gibt es erstmals ein Haus der Kategorie Fünf-Sterne-Superior in Hamburg.

(Foto: The Fontenay Hamburg)

Der Boom, von dem immer wieder die Rede ist, entfaltet deshalb noch gar nicht seine ganze Kraft. 2001 fing Hamburg an, sich allmählich von seinem Image als verstaubte Hafenstadt mit rustikalem Entertainment-Angebot zu befreien. Damals begann die Stadt, die Industriebrachen des Grasbrooks in die heutige Hafencity mit ihren exklusiven Wohnungen und Gewerbegebäuden umzubauen. Für Unternehmer und Investoren war der erste Spatenstich damals das Zeichen, dass ein Riese zu neuem Leben erwachte. Aber steil nach oben ging es danach nicht im Fremdenverkehr - natürlich nicht: 2008 wurde die Hafencity zum eigenen Hamburger Stadtteil erklärt, da hatten die Bauarbeiten an der Elbphilharmonie gerade erst begonnen. Von 19 auf 25 Prozent ist der Anteil der internationalen Gäste in den vergangenen Jahren nur gestiegen. Selbst 2017, das Jahr der Elbphilharmonie-Eröffnung, brachte keinen spektakulären Rekord. "Vier Prozent mehr Gäste, das ist nicht so hervorstechend", sagt Albertsen. Grund: "Die Reiseindustrie verfügt noch gar nicht über viele Kartenkontingente, Hamburg ist mit der Elbphilharmonie noch gar nicht richtig buchbar."

Angst vor der Gentrifizierung

Das heißt, der richtige Elbphilharmonie-Effekt kommt erst noch, und auch wenn er da ist, ist Hamburg noch nicht fertig mit seiner Verwandlung zum Besuchermagneten. Bisher waren die Voraussetzungen nicht günstig, für Amerikaner, Araber oder Chinesen, nach Hamburg zu kommen - daran arbeitet die HHT gerade. Nur zwei interkontinentale Direktflüge führen zum Flughafen Fuhlsbüttel, von New York und Dubai - das soll sich ändern. Die örtlichen Betriebe sollen ihren mehrsprachigen Service ausbauen, mehr internationale Kreditkarten akzeptieren, mehr schnelles Internet bieten. Hamburg will endlich eine Weltstadt werden. Für 200 Millionen Euro baut die Stadt ihr Kongresszentrum am Dammtor um, damit noch mehr internationale Gäste und noch mehr Impulse kommen. 2021 soll dort der Weltkongress zum Thema Intelligente Verkehrssysteme (ITS) stattfinden, durch den Hamburg auch zu einer Modellzone für moderne Mobilitätskonzepte werden soll. Albertsen sagt: "Hamburg steht erst am Anfang einer ganz spannenden Phase."

Ob das die Stadt nur zum Guten veränder? Vor allem in St. Pauli, Heimat der berühmten Reeperbahn, beklagen die Einheimischen Symptome der Gentrifizierung. Spießer, hohe Mieten und Billigkioske bedrohen das freigeistige Lebensgefühl im Kiez. Der G-20-Gipfel im vergangenen Jahr, der auch ein Ereignis zur Hamburg-PR sein sollte, hat das Vertrauen der Bürger in die Stadt belastet, weil er nicht so krawallfrei wie angekündigt war. Nicht jeder ist sicher, ob die Tourismus-Schaffenden mit ihrem Veränderungsanspruch am Ende nicht doch die gewachsenen Milieus im urbanen Raum rasieren. Sascha Albertsen wiederum sagt: "Unsere Motivation ist es nicht, jedes Jahr Rekorde zu verkünden. Unsere Motivation ist, dass die Lebensqualität der Menschen durch eine positive Tourismusentwicklung weiter steigt." Eine eigene HHT-Abteilung kümmert sich um Nachhaltigkeit und Bürgerdialog.

Mit zu viel Kommerz würden die Fremdenverkehrsmenschen ja auch ihr eigenes Marketingkonzept torpedieren, das auf ein Hamburg der Kontraste setzt. "Wir wollen nicht nur den geleckten Jungfernstieg", sagt Albertsen. Das linksautonome Kulturzentrum Rote Flora an der Straße Schulterblatt im Schanzenviertel zum Beispiel ist zwar kein Gebäude, das die HHT aktiv als Sehenswürdigkeit anpreist. "Aber die Atmosphäre, der Spirit, das individuelle Einkaufserlebnis am Schulterblatt mit seinen Möglichkeiten, draußen zu sitzen - das steht auch für Hamburg." Es gibt Stadtpolitiker, die die Rote Flora gerne schließen würden wegen ihrer extrem staatskritischen Mitglieder. Wenn man Albertsen richtig versteht, wäre das auch aus touristischen Gründen keine gute Idee. Die Stadt braucht die kreative Kraft des Widerstands, um interessanter zu sein als ein Standort, der nicht viel mehr als Fünf-Sterne-Superior-Luxus bietet.

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