Auch wenn der Brexit formal noch nicht vollzogen ist - und vielleicht auch nie in Kraft treten wird, obwohl das durch die Ernennung von Boris Johnson zum Premierminister Großbritanniens derzeit kaum denkbar erscheint: Die britische Politik und ein nennenswerter Teil der britischen Bevölkerung haben sich längst entsolidarisiert von Europa. Man mag geneigt sein, darauf trotzig zu reagieren oder gleichgültig: Sollen die Briten doch machen, was sie wollen. Sie werden schon sehen, wohin ihr Separatismus sie führen wird.
Das aber ist die Arroganz der sich moralisch überlegen Fühlenden, und die ist gefährlich. Jede Retourkutsche vertieft den Graben. Und Großbritannien zu ignorieren, weil das Land sich abwendet von Europa, spielt den Antieuropäern jeglicher Nation in die Karten. Wer Europa als Gemeinschaft schätzt, der sollte auch dafür einstehen.
Als Tourist kann man durchaus einen Beitrag leisten. Großbritannien wegen des Entscheides, aus der EU austreten zu wollen, nicht mehr zu bereisen, wäre ein kleinlicher Entschluss, auch zum eigenen Nachteil. Was weiß man von Europa, wenn man die aufregendste Stadt des Kontinents, London, nie erkundet hat? Wenn man sich nicht schon einmal an seinen Rändern verloren hätte zwischen den zahlreichen schottischen Whisky-Destillerien? Wenn man den britischen Humor nur vom Hörensagen kennte?
Ein Urlaub dient nicht der Rettung der Welt. Er dient der Erholung und dazu, auf andere Gedanken zu kommen. Die einen bevorzugen zu dem Zweck einen Strand, andere eine Landpartie oder Studienreise. Hier wie dort schnappt man etwas von der Lebensart der Einheimischen auf, von ihren Befindlichkeiten - und hinterlässt seinerseits Spuren. Diese alltäglichen Begegnungen zwischen Fremden sind bereichernd, bezüglich Großbritannien sind sie derzeit elementar. Die Briten mögen bei einem Brexit den größeren wirtschaftlichen Schaden haben. Aber das restliche Europa hätte bei einer Abkehr von den Inseln definitiv auch eine Menge zu verlieren.