Das Sonnenlicht, das durch das bunte Kirchenfenster strömt, lässt die Gewänder der beiden Männer aufleuchten. Unter den Augen ihrer Truppen schließen der französische König Charles le Simple und Wikingeranführer Rollo den Vertrag, der die Gründung der Normandie markiert.
Das Glasgemälde in der kleinen Kirche Saint Clair im französischen Örtchen Saint-Clair-sur-Epte zeigt, wie es sich im Jahre 911 zugetragen haben könnte. Die Normandie ist damit die einzige französische Region, die ihren Geburtstag genau bestimmen kann - und den feiern sie noch bis Ende September mit der Veranstaltungsreihe "Happy Birthday Normandie". Auf dem Programm: Konzerte, Mittelaltermärkte, Ausstellungen, Ton- und Lichtshows.
Die Geschichte der Normandie beginnt im Mittelalter. Der Reichtum der Region hatte Wikinger aus dem Norden Europas angelockt. Anfangs fuhren sie mit ihrer Beute noch nach Hause, doch schließlich ließen sie sich vor der Haustür der damaligen Herrscher nieder und starteten von hier aus ihre Plünderungen.
König Karl übereignete ihnen mit dem Vertrag von Saint Clair schließlich offiziell, was sie de facto bereits besaßen. Im Gegenzug versprach Wikingeranführer Rollo dem König die Gefolgschaft und ließ sich und seine Männer taufen. Einige der Legenden um Rollo sind auf einen 21 Meter langen Teppich gebannt, gestaltet von einer Gruppe interdisziplinärer Fachleute in Anlehnung an den berühmten Wandteppich von Bayeux. Die Wanderausstellung ist unter anderem vom 9. bis 11. September in Saint-Clair-sur-Epte zu sehen.
Weitaus bekannter ist dagegen das Kunstwerk in Bayeux, das seit fast einem Jahrtausend Besucher in die kleine Stadt im Bessin lockt. Der 70 Meter lange Wandteppich zeigt die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer, der als direkter Nachkomme Rollos auf dessen Spuren wandelte. Als "Comics des Mittelalters" stellt eine Ausstellung im Musée de la Tapisserie in diesem Sommer dieses historische Exemplar einer ebenso alten, 20 Meter langen Papierrollenmalerei aus Japan gegenüber.
"Bayeux spielt für die Geschichte der Normandie eine ganz große Rolle", erklärt Andrea Sölter, Vertreterin der Normandie bei der Französischen Zentrale für Tourismus in Frankfurt. Die Stadt verfüge über viele noch gut erhaltene historische Schätze. Die Kathedrale, ein prachtvolles Beispiel normannischer Gotik, ist im August Schauplatz einer Ton- und Lichtshow. Pünktlich zur Abenddämmerung setzen bunte Strahler ihre markante Architektur ins rechte Licht, während die Fassade des Hôtel du Doyen den Hintergrund für einen historischen Film bildet.
Die Vergangenheit lassen auch Veranstaltungen in Crèvecoeur-en-Auge, Saint-Pierre-sur-Dives und Rouen wieder aufleben. Im Château de Crèvecoeur (7. bis 15. August) und der Abbaye de St. Pierre (10. und 11.September) tummeln sich die Besucher auf volkstümlichen Mittelaltermärkten. Pastete vom Hasen und Huhn mit Datteln und Pflaumen stehen beim mittelalterlichen Mittagessen in Rouen auf dem Tisch (20. August und 17. September).
Gut gestärkt folgt eine Stadtführung auf den Spuren der Herzöge der Normandie. Eine Station ist dabei die Kathedrale von Rouen. Hier hat auch Rollo seine letzte Ruhestätte gefunden.
Wo sich das berühmte Amulett des einstigen Anführers versteckt, sollen die Teilnehmer einer großen Schnitzeljagd herausfinden. Bis Ende August läuft die Suche nach dem Schmuckstück aus Gold, Silber und Edelsteinen. Hinweise können an 43 Orten und Monumenten in der Normandie gesammelt werden. Weitere Indizien liefert die Geburtstagsseite der Region.