Flughafen in Istanbul:Vogelscheuchen gegen Terroristen

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Als Gendarme verkleidete Schaufensterpuppen sollen auf dem Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen Bombenleger abschrecken.

Kai Strittmatter

Den Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen haben schon Zehntausende deutsche Touristen kennengelernt, die meisten im Halbschlaf. Billigflieger landen hier oft, meist um vier oder fünf Uhr morgens, dann zwängt man sich in einen Shuttle und zuckelt schier unendlich durch die Stadtwüste des asiatischen Teils von Istanbul, bevor man schließlich das Stadtzentrum erreicht.

Reporter Simsek (links) neben einer einäugigen Puppe in Uniform. Auf 37 der 41 Wachtürme auf dem Flughafen Sabiha Gökcen in Istanbul finden sich keine echten Gendarmen. (Foto: Foto: Sabah)

In die Schlagzeilen schafft es der kleinere der beiden Flughäfen Istanbuls kaum. Das änderte sich diese Woche.

Die Türkei ist ein Land mit reger Terroraktivität: kurdische Extremisten, linke Splittergruppen. So erschien in der Zeitung Sabah vor etwas mehr als einer Woche ein Bericht über eine Gruppe namens "Revolutionäres Quartier", die offenbar einen Anschlag auf den Flughafen Sabiha Gökcen geplant und deshalb ihre Leute in die Flughafen- Sicherheitsfirma "My Technic" eingeschleust hatte.

Die Leute wurden entdeckt und verhaftet, der Sicherheitschef von "My Technic" hatte aber wenig Beruhigendes zu sagen: "Wer will, kann hier jederzeit eine Bombe auf die Piste oder ins Flugzeug legen." Und so machte sich ein paar Tage danach Sabah-Reporter Abdurrahman Simsek auf, selbst vor Ort nach dem Rechten zu sehen. Er sah Erstaunliches.

Simsek spazierte ungehindert durch ein offenes Tor aufs Rollfeld, hin zu einem der 41 Wachtürme des Flughafens, auf denen bewaffnete Gendarme für Sicherheit sorgen sollen. Der Reporter kletterte die Treppe eines solchen Turmes hoch. Dann ließ er sich gemeinsam mit dem Wachhabenden ablichten.

Der hatte keine Einwände, es war nämlich eine Schaufensterpuppe in Uniform, mit Barrett und Plastikwaffe.

Auf dem Foto sieht der unrasierte Reporter trotz Krawatte und Anzug um einiges furchterregender aus als die nur mehr einäugige Vogelscheuche.

Da hatte der Flughafen seine Schlagzeile: "Die Zinnsoldaten von Sabiha Gökcen" war Simseks Bericht überschrieben. "Terroristen wie Krähen verscheuchen zu wollen - kann es eine komischere Sicherheitsmaßnahme geben?" zitierte die Zeitung einen anonymen Flughafenmitarbeiter.

Sabah hatte einen Tag lang beobachtet: Auf gerade mal vier der 41 Türme standen echte Gendarme Wache. Auf dem Rest die Puppen. Es gab schon Soldaten. Aber die spielten Fußball.

Die Flughafenverwaltung reagierte prompt. Mit einer Presserklärung, wonach es "keinerlei Sicherheitslücken" gebe. Und mit frischer Tatkraft: Als Reporter anderer Medien nach dem Sabah-Bericht am Ort erschienen, wurden sie allesamt kurzerhand festgenommen und verbrachten zehn Stunden in Arrest. Begründung: "Verletzung einer militärischen Zone ersten Grades".

© SZ vom 19.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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