Es ist ein mühsames Geschäft. Wer in der Kreuzfahrtbranche arbeitet, muss mit Rückschlägen umgehen können. Auf den kompletten Stillstand der weltweiten Kreuzfahrtflotte Ende März folgte der vorsichtige Neustart im Juni und Juli. Die wichtigen Anbieter auf dem deutschsprachigen Markt - Aida, Tui Cruises, Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten, MSC, Costa Crociere - haben zunächst in Nord- und Ostsee, dann im Herbst im Mittelmeer den Neustart gewagt. Mit einwöchigen Kreuzfahrten ins westliche und östliche Mittelmeer probte man das Bordleben unter Corona-Bedingungen und Landausflüge in der sicheren Blase.
Sieht man von wenigen Reedereien ab, deren Beteuerungen, wie sicher das Reisen auf ihren Schiffen sei, sich als falsch herausstellten, lässt sich feststellen: Die Sicherheitsmaßnahmen an Bord und rund um die Kreuzfahrten scheinen zu funktionieren. "Seit Juli sind über 40 000 Gäste mit uns gereist. Dank unseres strengen Hygienekonzepts und verpflichtendem Covid-19-Test bisher ohne Zwischenfälle", versichert Godja Sönnichsen, Pressechefin von Tui Cruises. Und Helge Grammerstorf, Deutschland-Chef des Kreuzfahrtverbands Clia, sagt: "Ich kann mir im Moment keine andere Variante des Reisens vorstellen, die so sicher ist wie Kreuzfahrten."
Das mag etwas hoch gegriffen sein, aber ohne Frage hat die Branche sehr viel investiert, damit diese Art zu reisen auch in Pandemiezeiten möglich ist. Hanja Maria Richter, Kommunikationschefin bei Costa Crociere, sagt, die Kreuzfahrtbranche sei von jeher flexibel. Alle, die sich entschieden, in diesem Bereich zu arbeiten, seien das: "Wir haben immer einen Weg gefunden, um all die Hindernisse herum, die sich im Krisenjahr 2020 aufgetürmt haben. All die Sicherheitsprotokolle für Gäste, Crew und das Personal, das ein Schiff am Laufen hält - vom Betanken bis zur Versorgung mit Lebensmitteln. Dass man all das hinkriegt - unglaublich", sagt sie und es klingt Wehmut an. Seit dem 6. September war Costa wieder mit zwei Schiffen im Mittelmeer unterwegs - mit der Costa Smeralda im westlichen, mit der Costa Deliziosa im östlichen Mittelmeer.
War. Denn nun macht ein Teil-Lockdown, zunächst für den Monat November, viele der Anstrengungen zunichte. Dieser Teil-Lockdown ist kein branchenspezifisches Betriebsverbot, vielmehr eine Verordnung der deutschen und vieler europäischer Regierungen, die das Reisen allgemein massiv einschränkt. Costa unterbricht nun die Reisen im östlichen Mittelmeer. Die Fahrten im westlichen Mittelmeer ab und bis Savona sollen hingegen fortgesetzt werden. Man bediene damit vor allem den italienischen Markt, aber auch deutsche Passagiere seien nach wie vor willkommen.
Hingegen unterbricht die Reederei Aida, die wie Costa zum Carnival-Konzern gehört, sämtliche Reisen - zunächst bis zum 30. November. Das Unternehmen mit Sitz in Rostock erklärt, es unterstütze die Bundesregierung in ihren Bemühungen, das Pandemiegeschehen unter Kontrolle zu bringen. Einfluss auf diese Entscheidung hatte wohl auch der Entschluss der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Abfahrten ab Kiel und anderen Häfen Schleswig-Holsteins zu verbieten.
Tui Cruises hätte seine Blauen Reisen ab Hamburg und Kiel - Fahrten in die Nord- und Ostsee ohne Landgänge - gern fortgesetzt. Doch die Argumentation, dass die An- und Abreise in den Häfen lediglich als Durchfahrten zu werten seien, überzeugte die Behörden nicht. Auch in Griechenland muss die Mein Schiff 6 bald aussetzen. Ihr vorläufig letzter Törn endet am 14. November und darf nur als Blaue Reise - also ohne Landgänge - stattfinden.
Auch MSC fährt nur noch mit einem Schiff weiter. Während die MSC Magnifica ihre Touren ins östliche Mittelmeer aussetzt, geht es mit der MSC Grandiosa von Genua aus und dorthin auch zurück weiter ins westliche Mittelmeer. Das Unternehmen begründet den Schritt mit der Einschränkung der Reisefreiheit in wichtigen Quellmärkten wie Deutschland. Andererseits: Soll nun der ganze Aufwand vergebens gewesen sein? Nein, findet der Aufsichtsratschef Pierfrancesco Vago, der stolz ist auf die "neun Säulen des Sicherheits- und Gesundheitsprotokolls", das sein Unternehmen entwickelt habe. "MSC hat mit seinem Protokoll eine Vorreiterrolle übernommen", erklärt Dominik Gebhard, Pressechef der deutschsprachigen Länder bei MSC. "Der Wunsch weiterzufahren ist da, und dafür haben wir die Maßnahmen noch mal erweitert."
MSC erhöht nun die Testfrequenz bei Mannschaft und Passagieren. Künftig sollen Gäste auf einwöchigen Touren beim Einschiffen und zusätzlich in der Mitte der Kreuzfahrt getestet werden. Aber den Verlauf der Pandemie behalte man auch bei MSC genau im Blick, erklärt Gebhard. Sprich, auch in Italien, wo die Zahl der Neuinfektionen sprunghaft ansteigt, könnte bald Schluss sein mit den Kreuzfahrten. Aber weil die Branche, wie Hanja Maria Richter sagt, flexibel ist, denkt und plant und blickt sie stets nach vorn - und routet mal wieder um. Clia-Mann Grammerstorf sagt dazu pragmatisch: "Immer da, wo es keinen staatlich verordneten Lockdown gibt, werden wir wieder Kreuzfahrten sehen." Bei Hapag-Lloyd beispielsweise sagt Pressechefin Negar Etminan, man setze nun auf die Kanarischen Inseln. Diese, die Azoren und Madeira sind derzeit die einzigen Regionen Europas, für die es keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt.
Auch die anderen Anbieter planen deshalb fest mit den Kanaren. Derweil herrscht im Mutterland der Kreuzfahrten, den USA, weiterhin Stillstand. Zwar endete die No Sail Order des CDC, der US-Seuchenschutzbehörde, am 31. Oktober. Doch die Branche setzt Kreuzfahrten freiwillig bis Ende des Jahres aus. An die Stelle der No Sail Order trat eine Conditional Sailing Order, ein umfangreiches Regelwerk der Gesundheitsbehörden, das neben strengen Hygiene- und Gesundheitsvorschriften zunächst Probekreuzfahrten vorsieht, für die bereits freiwillige Testpersonen gesucht werden. Verlaufen diese Testreisen erfolgreich, sollen zunächst lediglich siebentägige Touren erlaubt werden.
Bis es so weit ist, beobachten die Amerikaner von Miami aus ganz genau, wie sich die Lage in Europa entwickelt. Zähneknirschend müssen sie zusehen, dass beim Neustart der Branche, so wackelig er auch sein mag, ausnahmsweise gilt: Europe First. Dort, in der Alten Welt, hofft die Branche nun auf das Weihnachts- und Silvestergeschäft. Doch Helge Grammerstorf dämpft vorsorglich die Erwartungen: "Wenn wir eins gelernt haben: Das Virus richtet sich nicht nach unserem Kalender."