Je heißer es wird, desto größer ist das Bedürfnis nach Wasser. Nach einer Erfrischung, einer Abkühlung. Danach, mit dem ganzen Köper einzutauchen, sich tragen und treiben zu lassen oder aber zu schwimmen und zu tauchen. Im Wasser der größten Hitze aus dem Weg zu gehen.
Die Autorin Marieluise Denecke hat vor einigen Jahren das Wildbaden für sich entdeckt - ein Baden also "jenseits von Pommesbuden und Chlorgeruch", wie sie in ihrem Band "Wildbaden in Deutschland" schreibt. Also jenseits des Freibadbesuchs oder des Aufenthalts am Baggersee mit kompletter Freizeit-Infrastruktur.
Der Begriff Wildbaden ist ein bisschen schwammig. Legt man ihn sehr puristisch aus, dürften einige Badestellen gar nicht in Deneckes Buch auftauchen. Weil es doch hier einen Steg ins Wasser gibt und dort ein Dixi-Klo am Ufer. Am nördlichen Stadtrand von Bremen, am Weserstrand Juliusplate, bezieht wochenends sogar die DLRG Stellung. Und natürlich kann man sich fragen, ob da nicht einfach nur alter Wein in neue Schläuche gegossen wird - sind die Menschen doch schon in Flüssen, Seen und im Meer zum Schwimmen gegangen lange vor der Erfindung des Strandbads.
Aber genau das ist der Punkt: Seit Strandbäder erfunden sind, gehen die Menschen bevorzugt dorthin zum Baden, wo es Parkplätze gibt, Rutschen und Sonnenschirme, einen Kiosk und Sanitäranlagen. Denecke lenkt den Blick indessen hin zu Badeplätzen, die von all dem nichts oder nur sehr wenig haben. Die meisten kennt sie aus eigener Anschauung, und da sie in Norddeutschland lebt, gibt es in ihrem Buch ein paar Empfehlungen mehr aus der nördlichen Hälfte Deutschlands und aus dem Süden ein paar weniger.
Ihre subjektive Sammlung ist eine schöne Mischung: Gleich der erste Tipp gilt Naturstränden auf Rügen, die sich in durchaus größerer Zahl zwischen all den touristisch geprägten Stränden finden. Sie beschreibt Badestellen an Seen wie dem Schweriner Außensee oder dem Mühlensee, einem Quellsee der Havel, die inmitten ziemlich unberührter Natur liegen und wo man mit ein bisschen Glück Fischotter oder Seeadler beobachten kann. Entsprechend weist Marieluise Denecke darauf hin, in jedem Fall Schutzzonen zu respektieren.
Zu den schönsten Badeplätzen rechnet die Autorin auch Gumpen und Wasserfälle, einige Klammen und sogar den Dortmund-Ems-Kanal: Das Baden dort sei seitens der Behörden nicht gewünscht, werde jedoch geduldet, so Denecke. Auch für diesen Kanal gilt im Übrigen wie für etliche weitere der genannten Badestellen, vor allem jenen an Flüssen: Sie sind nur geeignet für geübte Schwimmer.
Marieluise Denecke : Wildbaden in Deutschland. Die 50 schönsten Badeplätze in der Natur. Bruckmann Verlag, München 2022. 192 Seiten, 22,99 Euro.