Auf Hundeschlitten durch Norwegen:Im wilden Winterland

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Als Schlittenführer in Norwegens nördlicher Einsamkeit reist man durch die Stille. Und mit Trollen.

Am faszinierendsten ist die Stille. Nur das leise Scharren der Schlittenkufen, das Trappeln der Pfoten und das Hecheln im Gespann durchdringen die glasklare Luft. Wenn man an steilen Hängen absteigen muss, um den Hunden zu helfen, hört man das eigene Herz schlagen und das laute Pochen in den Schläfen.

Mit dem Hundeschlitten unterwegs im hohen Norden Europas - das ist eine Reise in eine wilde Märchenlandschaft.

Auch John-Einar Oddan sieht aus wie eine Sagengestalt: baumlang, mit wucherndem Zottelbart im wettergegerbten Gesicht und Pranken, dass man sich vor dem Händedruck fürchtet. John-Einar gehört zu jenen Naturburschen, die auch zivilisierten Mitteleuropäern die Chance auf eine Flucht aus dem hektischen Alltag bieten.

Gemeinsam mit Bodil Bakken, die so zierlich scheint und doch mit einem einzigen Blick auch Hunde nah am Wolf wieder in schweigende Lämmer verwandelt, gehören ihm drei Dutzend Huskys. Von seinem Hof in Meråker aus führt er sie hinaus in die einsame Weite des norwegisch-schwedischen Grenzgebirges nordöstlich Trondheims, wo keine Straßen, Wege oder Strommasten das Naturerleben stören.

Bevor es soweit ist, müssen Gäste sich mit den vierbeinigen Gefährten anfreunden: Sie sollten in den Tagen darauf eine verschworene Gemeinschaft bilden. Ohne die Hunde wäre jeder in der Wildnis bei Nachttemperaturen bis minus 25 Grad verloren.

Beim Anspannen stellen die angehenden Musher erleichtert fest, dass die weiß gebleckten Zahnreihen der sechs wilden Kerle zwar respekteinflößend sind - nach fremden Händen wird aber nicht geschnappt. Einfach geht das Anschirren trotzdem nicht: Die Hunde verwirren vor Aufregung die Leinen.

Und brechen in ohrenbetäubendes Jaulen, Kläffen, Bellen aus, als sie endlich anfahren dürfen. Huskys auf den ersten Kilometern zum Stehen bringen zu wollen, ist ein aussichtsloses Unterfangen - erst nach etwa einer Stunde haben sie sich genügend ausgetobt, um dem Fahrer auch einmal ein Päuschen zu gönnen.

Das Beherrschen des Gespanns ist an und für sich recht einfach: Man legt sich in die Kurven wie beim Motorradfahren, bergab wird mit der Fußbremse nachgeholfen wie beim Autoabschleppen, damit der Schlitten nicht die Hunde überholt. Und für den Notfall hängt ein Anker parat: Wer wirklich einmal unfreiwillig den Schlitten verlässt, sollte die Zacken tief im Schnee vergraben, ansonsten sind Hunde und Fracht auf und davon.

Zunächst zieht die Karawane in weiten Schwüngen durch einen Märchenwald. Zwischen tief verschneiten Fichten- und Kiefern geht es hinauf, es folgen lichte Birkenhaine, an deren Ästen das Eis im Sonnenschein spiegelt und blinkt.

Oben auf der Höhe erreicht man das Land der Trolle: Am Horizont erheben sich majestätische Gipfel, im Vordergrund lugen aus Schnee und Eis gebeugtes Buschwerk und Krüppelkiefern hervor, unter ihren weißen Kapuzen zu bizarren Formen erstarrt und damit ein perfektes Versteck für die norwegischen Fabelwesen.

Natürlich bekommt man die Kobolde nie zu Gesicht, stattdessen folgt der Blick gebannt dem Kreisen des Adlers und den Fährten der Elche, die hier ihrer Wege ziehen.

Der rhythmische Lauf der Hunde und das Muskelspiel ihrer starken Rücken tragen einen durch diese unberührte Welt, man fühlt sich im Einklang mit der Natur - und zufrieden in der Stille.

Da ist man mit dem Auto bis nach Meråker angereist, vielleicht mit der Bahn oder dem Flugzeug via Oslo nach Trondheim, und plötzlich gibt es all diesen Lärm, das Schütteln und den Gestank nicht mehr.

Stattdessen folgt man den Spuren einer Hundemeute.

Bis zu 50 Kilometer am Tag zerrt sie Schlitten und Last durch die Wildnis. Etwa hundert Kilo wiegt die gesamte Ausrüstung: Zelte, Schlafsäcke, Nahrungsmittel für Mensch und Tier, Kocher und Schneeschaufel.

Am Abend hockt man um ein loderndes Feuer, auf dem mächtige Fleischstücke braten. Und wenn die am Waldrand lagernden Hunde Wild wittern, stimmen sie ihren Chor an, ein klagendes Heulen aus 30 Kehlen, und den Menschen am Lagerfeuer läuft ein Schauer über den Rücken.

Wie im Märchen.

Informationen: Innovation Norway, Postfach 11 33 17, 20433 Hamburg, www.visitnorway.de, www.huskyadventure.no. Halbtagestouren kosten etwa 110 Euro pro Person, Tagestouren 150 Euro, eine längere Expedition für drei Tage 820 Euro.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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