Das Bundeskabinett hat eine vierköpfige Bund-Länder-Kommission zur politischen Aufarbeitung der Neonazi-Morde beschlossen. Das Gremium soll vor allem die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle hinterfragen. Grundlage dazu sollen vor allem die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse im Bundestag und im Thüringer Landtag sein.
Der Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Die zentrale Frage ist, warum die Sicherheitsbehörden die Rechtsterroristen nicht im Visier hatten.
Die Bund-Länder-Expertenkommission soll einen Arbeitsstab im Bundesinnenministerium bekommen. Ihr gehören vier Mitglieder an: Berlins ehemaliger Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU), der Münchner Strafrechtsexperte Eckhart Müller (Vorschlag der FDP) und der frühere Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost (Vorschlag der Grünen).
Die SPD erhofft sich von den Untersuchungsausschüssen und der Bund-Länder-Kommission auch Erkenntnisse für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Es mehrten sich die Hinweise für eine "informelle Kooperation" zwischen der rechtsextremen Partei und der Neonazi-Gruppe, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann vor Journalisten in Berlin. Zum Zeitpunkt des ersten, 2003 gescheiterten Verbotsverfahrens habe sich die NPD, anders als jetzt, noch nicht den rechtsextremen Kameradschaften geöffnet.
SPD fordert eigene Ermittlungen von der Kommission
Oppermann bekräftigte seine Forderung, die Bund-Länder-Kommission solle eine eigene Sachverhaltsaufklärung zu den Morden vornehmen. Das Gremium solle nicht nur Unterlagen der Behörden herbeiziehen, sondern etwa auch eigene Gespräche führen und Aufklärung betreiben. Dabei gehe es allerdings nicht um offizielle Ermittlungsrechte, wie sie etwa der Bundestags-Untersuchungsausschuss habe.
Die Union hatte sich gegen eine eigene Ermittlungsarbeit der Kommission gewandt, wegen des Streites hatte eine Verschiebung des Kabinettsbeschlusses gedroht. Der vom Bundestag eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss soll am Donnerstag zu seiner ersten regulären Sitzung zusammenkommen.
Kritik an der Aufklärung der Neonazi-Mordserie kommt unterdessen von der Deutschen Polizeigewerkschaft: "Ich finde es fast schon skandalös, dass jetzt jede Menge Kommissionen und Ausschüsse eingesetzt werden, um Fehler bei Polizei und Verfassungsschutz zu untersuchen", sagte deren Chef Rainer Wendt dem Sender Phoenix.
"Ich würde mir auch einmal eine Kommission wünschen, die die politischen Defizite erhellt", fuhr er fort. Die Polizei müsse sich an Gesetze und Vorschriften halten - und die würden von der Politik gemacht. "Die Politik scheint im Moment ein wenig ablenken zu wollen von ihren eigenen Versäumnissen", sagte er.