Mitglieder einer islamistischen Terrorgruppe haben nach tagelangen Kämpfen die nordirakische Stadt Mosul eingenommen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) flüchteten etwa 500 000 der etwa drei Millionen Einwohner aus der Stadt. Viele seien zu Fuß unterwegs, da ihnen verboten worden sei, ihre Fahrzeuge zu benutzen.
Die Regierung in Bagdad räumte den Abzug der Armee ein. Ministerpräsident Nuri al-Maliki rief die Bevölkerung zum Widerstand auf. Wer sich freiwillig melde, werde von der Regierung bewaffnet, sagte er.
In einer im Fernsehen ausgestrahlten Ansprache rief al-Maliki das Parlament auf, den Notstand zu verhängen. An seine Landsleute appellierte er, sie sollten sich den "Terroristen" entgegenstellen. Von den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga und der Europäischen Union verlangte er, den Irak im Kampf gegen den Terror zu unterstützen.
Der irakische Parlamentspräsident Usama al-Nudschaifi sagte auf einer Pressekonferenz, dass sogar die gesamte Provinz Nineveh "in die Hände der Aufständischen gefallen" sei. Al-Nudschaifi sagte, er stehe im Kontakt mit mehreren Vertretern von Regierung und Armee. Gleichwohl müssten "alle Kräfte im Irak mobilisiert und internationale Anführer gewarnt" werden, um dieser "Terroroffensive die Stirn zu bieten".
Laut Nachrichtenportal Sumaria News drangen die Kämpfer der Miliz Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) in Mosul auch in Gefängnisse ein und ließen mehr als 1400 Häftlinge frei. Zudem übernahmen sie demnach die Kontrolle über den Flughafen, mehrere Regierungsgebäude sowie zwei Fernsehsender. Zahlreiche Bewohner seien in die kurdischen Provinzen Erbil und Dohuk geflüchtet. Laut türkischer Nachrichtenagentur Dogan wurden auch 28 türkische Lkw-Fahrer entführt.
3000 ISIS-Kämpfer in der Region Mosul aktiv
Beobachter gehen davon aus, dass mehr als 3000 ISIS-Kämpfer in der Region Mosul aktiv sind. Die Gruppe gehört zu den radikalen Sunnitengruppen, die im arabischen Raum einen Gottesstaat errichten wollen. Seit Januar kontrollieren die Milizionäre bereits Gebiete der westlichen Provinz Al-Anbar und liefern sich dort heftige Kämpfe mit Regierungstruppen. Aus der Provinz sind nach UN-Angaben inzwischen mehr als 400 000 Menschen geflohen.
Im Irak eskaliert derzeit der langjährige Machtkampf zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Die Sunniten, die zu Zeiten des Diktators Saddam Hussein gute Aussichten auf Karrieren in Staat und Armee hatten, fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung diskriminiert. Allein am Wochenende sind bei einer Serie von Anschlägen im Irak mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen.
Al-Maliki sucht Koalitionspartner
Zugleich gibt es in dem Land noch keine neu legitimierte Regierung. Ende April gewann zwar das Bündnis des schiitischen Ministerpräsidenten al-Maliki die Parlamentswahl. Der wegen seines autoritären Führungsstils umstrittene Regierungschef ist jedoch auf Koalitionspartner angewiesen. Beobachter rechnen mit einer längeren Regierungsbildung.
Der Syrienkonflikt sorgt für weiteren Zündstoff. Organisationen wie die ISIS gewannen durch den Bürgerkrieg großen Einfluss. Extremistische Milizen haben in den nördlichen syrischen Provinzen einen Rückzugsort und Zugang zu Waffen. Durch die Eroberung der irakischen Stadt Falludscha Anfang des Jahres fielen den Extremisten auch zahlreiche Waffen der Regierungstruppen in die Hände. Bei den Unruhen im Irak starben nach UN-Angaben allein 2013 knapp 8900 Menschen.