Zuwanderungs-Debatte:"Seehofer bürgert Millionen Menschen praktisch aus"

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CSU-Chef Seehofer will den Zuzug von Muslimen stoppen - Äußerungen die nicht nur Grünen-Chefin Roth empören. Selbst Arbeitsagentur-Chef Weise und CDU-Mitglieder der Bundesregierung widersprechen.

Daniel Brössler, Berlin

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat einen Zuzugsstopp für Muslime gefordert und damit Kanzlerin Angela Merkel herausgefordert. Deutschland brauche keine "zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen", sagte der CSU-Chef. Fast zeitgleich machte sich die CDU-Vorsitzende Merkel bei einem Besuch des türkischen Premiers Tayyip Erdogan in Berlin für eine bessere Integration der Türken in Deutschland stark.

Provoziert mit seinen Äußerungen Bundeskanzlerin Angela Merkel: CSU-Chef Horst Seehofer. (Foto: dapd)

Mit seinen Äußerungen verschärfte Seehofer am Wochenende die Debatte über den Islam, den Bundespräsident Christian Wulff als Teil Deutschlands bezeichnet hatte. "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun", sagte Seehofer dem Focus. Er ziehe daraus "den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen". Angesichts der von Mai kommenden Jahres an geltenden Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus östlichen EU-Ländern fehle ihm Verständnis für Forderungen nach mehr Zuwanderung.

Kanzlerin Merkel war am Samstag in Berlin zusammen mit Erdogan aufgetreten und hatte an die in Deutschland lebenden Türken appelliert, Deutsch zu lernen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und das Grundgesetz zu respektieren. Oft hätten türkischstämmige Bürger eine geringere Ausbildung und beendeten seltener die Schule mit einem Abschluss. "Das möchten wir ändern", sagte Merkel. Der Schlüssel dazu sei Integration. Auch Erdogan rief die Türken auf, sich besser einzugliedern.

Als "brandstifterischen Rechtspopulismus" bezeichnete die Ko-Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, die Worte des CSU-Chefs. "Seehofer bürgert Millionen Menschen praktisch aus. Das macht deutlich, dass jene, die am lautesten Integration einfordern, nicht integriert sind in die deutsche Gesellschaft", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Der normale Fußballfan ist weiter als der bayerische Ministerpräsident", fügte sie in Anspielung auf den Jubel für den türkischstämmigen Nationalspieler Mesut Özil beim Spiel gegen die Türkei am Freitag hinzu. Mesut Özil, ihr Ko-Vorsitzender Cem Özdemir und der Filmemacher Fatih Akin passten "besser in mein Bild von Heimat als Horst Seehofer". Sie erwarte eine Entschuldigung von ihm.

"Seehofer schürt nationalistische Aufwallungen", sagte der Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Axel Schäfer, der SZ. Nach langen Diskussionen sei man sich parteiübergreifend einig geworden, "dass wir natürlich Zuwanderung brauchen". Darauf verwies in einem SZ-Interview auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. "Heute haben wir 44 Millionen Erwerbsfähige, ohne Zuwanderung werden es 2050 etwa 26 Millionen sein", sagte er.

Das Bundesinnenministerium distanzierte sich von Seehofers Forderung. Diese gehe "am eigentlichen Problem vorbei", sagte der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU) der Financial Times Deutschland. Nicht jede Zuwanderung aus dem arabischen Raum führe zu Integrationsproblemen. "Die politisch Verfolgten aus dem Iran etwa sind häufig hochgebildet und glühende Anhänger unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung", sagte er. Scharfe Kritik an Seehofer kam von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU). Menschen aus einem anderen Kulturkreis dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden, sagte sie der Bild-Zeitung. "Das grenzt aus und läuft allen Integrationsbemühungen zuwider."

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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