Glosse:Das Streiflicht

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Obwohl wir schon mit der Vergangenheit schwer klarkommen, reden wir dauernd von Zukünften. Es scheint offensichtlich eine Vielzahl von Bedarfen an ihnen geben.

(SZ) Mit Sprache kann man ja heutzutage sehr viel machen. Man kann Dinge größer und kleiner machen, sogar das Machen selbst lässt sich durch Sprache vorantreiben. Journalisten wissen das, Liedermacher können ein Lied davon singen und Schriftstellerinnen einen Roman darüber schreiben. Juli Zeh schreibt zum Beispiel mit Sprache Romane, die beim Lesen merkwürdigerweise kleiner wirken als die Romane, die Jenny Erpenbeck schreibt. Natürlich verwenden beide die gleiche Sprache, nämlich Deutsch. Aber das Deutsch, das Jenny Erpenbeck einsetzt, ist eher das Deutsch einer Erzählerin, wohingegen das von Juli Zeh verwendete Deutsch an das Deutsch einer Grundstücksmaklerin erinnert. Vielleicht ist das aber auch ein Grund, weshalb Juli Zehs Romane häufiger gekauft werden als die von Jenny Erpenbeck: Maklerdeutsch lässt sich einfacher lesen als makelloses Deutsch. Wenn die Gegenwart zusehends unbehaglicher und die Zukunft immer tunnelröhrenartiger wird, kann man mit Gebrauchsanweisungen größeren Trost spenden als mit einer guten Erzählsprache. Anders gesagt: Was bei Jenny Erpenbeck Zukunft heißt, sind bei Juli Zeh schon Zukünfte.

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